Wettstreit um Junglehrer

Berlin/Stralsund. An Warnungen hatte es nicht gefehlt

Berlin/Stralsund. An Warnungen hatte es nicht gefehlt. Als 2006 mit der Förderalismusreform I die Besoldungskompetenz für Lehrer vom Bund wieder den einzelnen Ländern übertragen wurde, hatten Beamtenbund, Gewerkschaften und zahlreiche Experten einen "ruinösen Wettbewerb" vorausgesagt: reiche gegen arme Länder in Konkurrenz um Junglehrer und um die besten anderen Nachwuchskräfte unter den Beamten. Gestern suchte die Kultusministerkonferenz (KMK) in Stralsund nach Auswegen aus der Misere. Bis zuletzt hatten sich 2006 die beiden finanzschwachen Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern gegen die Preisgabe einer bundeseinheitlichen Beamtenbesoldung gestemmt. Doch vergebens: Das Interesse der 14 anderen Länder an mehr Gestaltungsspielraum war zu groß. Als erstes Land nutzte Hessen schon im vergangenem Sommer die neue Chance. Mit einer 250 000 Euro teuren Anzeigekampagne "Lehrer nach Hessen" und dem Versprechen nach höherer Einstiegsvergütung machte es den anderen Ländern mehr als 200 Junglehrer abspenstig.

Die Empörung unter den Kultusministern war groß. "Mangelnde Ländersolidarität" war damals noch der vornehmste Vorwurf. Jetzt zog Baden-Württemberg ebenfalls mit Zeitungsannoncen nach. Gesucht: 450 Lehrer vor allem für die Mangelfächer Mathematik, Physik und Biologie. Berlin musste unlängst die Lehrergehälter kräftig erhöhen - um den angedrohten Ortswechsel von Pädagogen zu verhindern.

Junglehrer gelten inzwischen überall als knappes Gut. In den nächsten fünf bis zehn Jahren geht bundesweit ein gutes Drittel der Lehrerschaft in Pension. Zwar bekunden von jedem Abiturjahrgang immer noch Jahr für Jahr etwa 50 000 junge Menschen, Lehrer werden zu wollen. Doch die Studienerfolgsquote liegt nur bei gut 60 Prozent.

Und nicht alle gehen später auch in die Schule. Die Umstellung der Lehrerausbildung auf die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse in den meisten Bundesländern hat dies noch wesentlich erleichtert.

Die SPD-geführten Bundesländer möchten nach den Worten ihrer Sprecherin, der rheinland-pfälzischen Kultusministerin Doris Ahnen, in der KMK einen länderübergreifenden Rahmen für die Lehrerbesoldung vereinbaren. Sie fordern zugleich ein gemeinsames Vorgehen aller Kultusminister, um mehr junge Menschen für das Lehramtsstudium und vor allem für die spätere anspruchsvolle Arbeit in der Schule zu begeistern. "Abwerbeaktionen mit kurzfristigen finanziellen Anreizen schaden dagegen letztlich allen Ländern", sagte Ahnen. Der Bildungsforscher Klaus Klemm warnt zudem davor, pauschal von einem Lehrermangel zu sprechen. Vor allem in den wichtigen Fächern Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik in der Sekundarstufe I (bis Klasse zehn) sei die Versorgung bundesweit nicht gesichert. Auch fehlten Berufsschullehrer.

Mecklenburgs-Vorpommerns Kultusminister Henry Tesch (CDU), der zur Zeit KMK-Präsident ist, möchte mit einer "Stralsunder Erklärung" von seinen Länderkollegen mehr Fairness im Wettbewerb um die Nachwuchskräfte erreichen. Vor allem sollten sich die einzelnen Länder auf den Grundsatz verpflichten, nicht weniger Lehrer auszubilden als sie einstellen. Baden-Württembergs Kultusminister Helmut Rau (CDU) hält dagegen: Der Arbeitsmarkt für Referendare sei ein bundesweiter. Die Länder könnten sich nicht gegenseitig abschotten.

Auch in anderen Ministerien hält man eine Selbstverpflichtung zur Ausbildung des eigenen Landesbedarfs schlicht für "Quatsch". Und warum nur für die Lehrer, nicht auch für Ingenieure, Juristen, Betriebswirte und andere Berufe? Bayern beispielsweise importiert Jahr für Jahr zusätzlich zu den an seinen Landeshochschulen ausgebildeten Nachwuchskräften mehr als zehntausend weitere Jungakademiker aus anderen Bundesländern. Weil Hochschulausbildung nicht billig ist, wirft das auch die Frage eines neuen Länder-Finanzausgleichs bei der Bildung auf. Doch davon wollten vor allem finanzstarke Länder wie Bayern und Baden-Württemberg bei der soeben abgeschlossenen Föderalismusreform II nichts wissen. "Abwerbeaktionen mit kurzfristigen finanziellen Anreizen schaden letztlich allen Ländern."

Doris Ahnen, rheinland-pfälzische Kultusministerin

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