Geldsegen in Deutschland „Olaf Schäuble“ im Steuer-Glück

Berlin · Ein Plus von 63 Milliarden Euro: Deutschland schwimmt im Geld. Dennoch rät der Finanzminister zur Vorsicht.

Eine „rote Kopie“ seines CDU-Vorgängers Wolfgang Schäuble? Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gibt trotz sprudelnder Steuereinnahmen den strengen Kassenwart.

Eine „rote Kopie“ seines CDU-Vorgängers Wolfgang Schäuble? Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gibt trotz sprudelnder Steuereinnahmen den strengen Kassenwart.

Foto: dpa/Michael Kappeler

() Olaf Scholz spricht von „Gedanken, die man sich machen könne“. Er hat sie sich schon längst gemacht und schafft einfach mal Tatsachen. Denn die nackten Zahlen, die der Bundesfinanzminister im Matthias-Erzberger-Saal seines Ministeriums präsentiert, haben es in sich – und wecken große Begehrlichkeiten: Satte 63,3 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen bis 2022 – das hat sein Arbeitskreis Steuerschätzung diese Woche errechnet. Davon knapp elf Milliarden mehr für den Bund, rechnet der SPD-Politiker vor. Damit nicht Debatten aufbrechen, was mit dem Geldsegen passieren soll, schlägt der „rote“ Nachfolger von Wolfgang Schäuble (CDU) Pflöcke ein, die einigen beim Koalitionspartner CDU/CSU nicht besonders schmecken dürften. Punkt 1: eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ab 2019 durch eine Abschmelzung der sogenannten kalten Progression. Punkt 2: Scholz verspricht Milliarden für den Breitbandausbau und die Internetausrüstung von Schulen. Gegen beides lässt sich schlecht wettern. Entsprechend moderat fallen die Reaktionen der Union aus. Aber Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatten sich bitter beklagt, dass für die Jahre 2019 bis 2022 zu wenig Geld für ihre Ressorts vorgesehen sei. Die Bundeswehr leidet unter schlechter Ausrüstung, Müller will mit Milliardenhilfen die Lage in Afrika und Syrien verbessern, um Menschen von der Flucht abzuhalten. Scholz stellt den Kabinettskollegen mit gönnerhafter Geste aber nur eine kleine Aufstockung in „überschaubarem Umfang“ in Aussicht.

Scholz steht nun unter großem Druck, die Bürger um mehr als nur ein paar Euro im Monat zu entlasten. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, findet, es sei höchste Zeit für viel größere Schritte: „Das Geld für ein komplettes Soli-Aus für alle ist seit langem da.“

Auch die Wirtschaft, die AfD und die FDP fordern eine große Reform, um Bürgern mehr vom Steuergeld zurückzugeben. Aber Scholz will die Kasse nicht zu weit öffnen. Der Vizekanzler in Angela Merkels neuer Regierung erinnert an die Verwerfungen durch den Abschied der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Allein ein steigender Ölpreis kann auch der deutschen Wirtschaft schwer zusetzen. „Man kann gar nicht vorsichtig genug sein“, sagt Scholz. „Die Entwicklung muss nicht so bleiben, wie sie ist.“

Scholz wird ja schon als „Olaf Schäuble“ bezeichnet, weil er wie Schäuble auch in Europa mit angezogener Handbremse unterwegs ist, wo andere wie Ex-SPD-Chef Martin Schulz wegen der Entfremdung mit den USA viel mehr Integration fordern, auch durch höhere Beiträge. Scholz ist zwar bereit, wegen des EU-Austritts Großbritanniens mehr zu schultern, zehn Milliarden pro Jahr könne man „ungefähr bewältigen“. Aber wie ein Dogma betont er, er sei ein deutscher Finanzminister. Viele Bundesbürger sind auch strikt dagegen, dass mehr Geld nach Brüssel fließt.

Darüber hinaus sitzt der großen Koalition die AfD im Nacken.  AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sieht eine „Steuerzahler-Ausbeutung nach Gutsherrenart“. Der Staat müsse den Bürgern endlich mehr vom ihrem hart erarbeiteten Geld zurückgeben.

Während die einen endlich eine große Steuerreform wollen, sehen die anderen zu wenig Investitionen in die Zukunft. Denn in Deutschland sind viele Brücken, Schulen und Straßen marode, und das Internet lahmt.

Obwohl Scholz einen großen neuen Wurf bisher nicht wagt, steigt die Beliebtheit des Hanseaten. Er will zeigen, dass auch ein Sozialdemokrat als strenger Kassenwart gut mit Geld umgehen kann. Angesichts des Imageproblems von SPD-Chefin Andrea Nahles könnte der Vizekanzler vielleicht sogar der nächste SPD-Kanzlerkandidat werden.

Die „schwarze Null“, ein Haushalt ohne neue Schulden, wird er in diesem Jahr wohl als erster „roter“ Finanzminister schaffen. Der seit Überwindung der Finanzkrise brummenden Wirtschaft sei Dank. Mit 2,384 Millionen rutschte die Zahl der Arbeitslosen zuletzt auf den niedrigsten April-Stand seit der deutschen Wiedervereinigung.

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