Seehofer übt Realpolitik mit Russland

Moskau · Die Flüchtlingskrise in Europa, der Krieg in Syrien, der Ukraine-Konflikt: Horst Seehofers Besuch bei Kremlchef Wladimir Putin findet in schwierigen Zeiten statt. Trotzdem oder gerade deshalb begrüßen sich beide sehr freundlich.

Nun stehen sie sich also gegenüber, Wladimir Putin und Horst Seehofer . Dass ein deutscher Ministerpräsident vom russischen Präsidenten persönlich empfangen wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Zugleich ist das Treffen für Seehofer heikel, denn die mediale Aufmerksamkeit zu Hause ist immens. Auch deshalb betont der bayrische Löwe zu Beginn des Gesprächs die zentrale Rolle Russlands: Ohne Moskau seien die Probleme der Welt nicht zu lösen. "Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in schwierigem politischem Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen. Daran wollen wir mitwirken", versichert Seehofer. "Wir wissen um Ihre Haltung, Ihren Willen, viel für eine Normalisierung zu tun", erwidert Putin.

Wären die Zeiten normal, man könnte sagen: Es ist mehr als recht und billig, dass sich ein Ministerpräsident um die Interessen der Wirtschaft zu Hause kümmert und um einen Termin bei Putin bittet. Schließlich ist Russland wichtiger Handelspartner Bayerns, nicht nur wegen Siemens & Co. Doch die Zeiten sind nicht normal: Der Ukraine-Konflikt schwelt weiter, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland wurden noch einmal verlängert. Die Syrien-Krise ist ungelöst, die Flüchtlingskrise in Europa deshalb ebenso. Zudem gab es kürzlich diplomatische Verwerfungen wegen russischer Falschmeldungen über eine angebliche Vergewaltigung einer 13-jährigen Russlanddeutschen in Berlin.

Seehofer hat dennoch ein großes Gastgeschenk für Putin im Gepäck: Er wirbt für eine möglichst rasche Lockerung oder gar ein Ende der Wirtschaftssanktionen . "Sie haben für uns in Bayern massive negative Rückwirkungen: für die bayerische Wirtschaft, auch für die bayerische Landwirtschaft." Auch die russische Wirtschaft habe Schaden genommen. "Und deshalb, glaube ich, sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, dass wir in überschaubarer Zeit hier zu Veränderungen kommen. Und dafür werde ich werben." Putin dürfte derlei gerne hören.

Aber was verspricht sich Putin ansonsten vom Treffen mit Seehofer? Sucht der Präsident so etwas wie einen Verbündeten gegen Kanzlerin Angela Merkel? Dazu sagt die Führung in Moskau , das Treffen trage keinen "Verschwörungscharakter". Das hatte die Opposition dem CSU-Chef vorgeworfen: sich Putin anzubiedern, deutschen Interessen zu schaden, und Merkel in den Rücken zu fallen. Seehofer weist derlei Kritik zurück. "Jeder Ministerpräsident hat die verdammte Pflicht, sein Land überall auf der Welt zu vertreten." Mit "Machtspielen" habe das nichts zu tun.

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