Schweigen hilft nicht, Reden auch nicht

Wolfsburg · Alle wollen Antworten von VW: Kunden, Anleger, Mitarbeiter, Medien, Politiker – sie bohren mit Fragen. Doch der Konzern kann oft nicht so antworten wie es viele erwarten. Damit gerät VW in eine Zwickmühle.

Für den krisengeschüttelten VW-Konzern ist die Ausnahmesituation derzeit Normalzustand. Jedes Wort liegt auf der Goldwaage, jede Information scheint Gold wert. Das bringt die absurde Lage, dass schon Termine zum Politikum werden. Gestern war es wieder soweit. Der innere Zirkel des Aufsichtsrats tagte. Nur durfte das keiner wissen. Das ist bei Konkurrenten wie BMW und Daimler nicht viel anders. Doch herrscht bei VW derzeit beispiellose Aufregung.

Aktuell schreit alles nach Kommunikation. VW-Kunden haben so viele Fragen wie nie. Zum Beispiel die hier: Wann sind welche VW-Modelle mit dem Rückruf dran, etwa der Verkaufsschlager Golf? Unklar. Warum schreibt VW nicht wenigstens generell einmal alle hierzulande 2,5 Millionen betroffenen Halter an, um zumindest anfänglich Klarheit zu schaffen? Unklar. Was steckt hinter dem ominösen "Gesamtpaket", mit dem VW betroffene Kunden in Europa - anders als in den USA - ohne Bargeld besänftigen will? Unklar. Wer traf damals die Entscheidung, weltweit elf Millionen Dieselfahrzeuge mit einer illegalen Software auszurüsten? Unklar. Enden noch mehr Leiharbeiterverträge? Unklar.

Es ist verständlich, dass der Konzern vieles nicht so kommunizieren kann, wie es sich Marketing und Pressestelle mitunter wünschen. Denn Heerscharen von Anwälten, gerade in den USA, protokollieren alles. Im Zweifel haben derzeit die VW-Juristen das Sagen - auch wenn das dazu führt, dass lieber keiner etwas sagt oder zu spät. Die Angst geht um. Milliardenstrafen drohen längst, der Aktienkurs ist tief im Keller.

Mehr als je zuvor hütet der Konzern daher in diesen Tagen die Termine des Aufsichtsratspräsidiums wie ein Staatsgeheimnis. Das sechsköpfige Gremium um Hans Dieter Pötsch bildet den Kern der 20 VW-Kontrolleure. Spätestens mit dem Machtkampf und späterem Rücktritt von VW-Patriarch Ferdinand Piëch vor einem Jahr sind die Zusammenkünfte von öffentlichem Interesse. Das gilt erst recht im Diesel-Skandal. Den Termin gestern bestätigte offiziell keiner. In den an die Medien verschickten Terminkalendern der Landesregierung fehlen Präsidiumstermine, obwohl sie für das Mitglied, Ministerpräsident Stephan Weil (SPD ), zu den wichtigsten Ereignissen zählen. In Niedersachsen hängen locker 120 000 Jobs direkt an VW , zudem Zehntausende indirekt.

Die Gemengelage ist heikel. Und das liegt mitunter auch am Hang der Medien, ein schnelllebiges Geschäft zu führen. Reden hilft nicht. Schweigen auch nicht.

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