,,Bei Suzi Quatro fehlte der Busen“

Lüneburg · Die Starschnitte der Zeitschrift „Bravo“ sind inzwischen ein Teil der Jugendgeschichte. In Lüneburg widmet sich eine Ausstellung den mehrteiligen Posterserien, die viel Geduld voraussetzten. Zu sehen ist sie noch bis zum 19. März.

Nachkriegsmief, kein Internet, der Fernseher nur schwarz-weiß - wenn überhaupt einer da ist. Dann kommt "Bravo" auf den Markt, das war 1956. Knallbunt prägt die Zeitschrift ganze Generationen deutscher Teenager mit Berichten über Idole, Aufklärungsseiten und Foto-Lovestories. Dann kommt der Starschnitt in Lebensgröße, Stück für Stück über viele Hefte. Schon der Start im März 1959 ist überraschend lasziv: Brigitte Bardot in Netzstrümpfen und schwarzem Body.

"Damals war ,Bravo' revolutionär", sagt Carsten Junge und beschreibt die Zeitschrift als "Gegenpol zum röhrenden Hirsch im Wohnzimmer der Eltern". Junge ist Jahrgang 1959. Heute ist der langjährige ,Bravo'-Leser Geschäftsführer einer Sparkassenstiftung in Lüneburg. Dort hat er für das Großpuzzle eine Schau organisiert. "Noch nie hat sich jemand umfassend dem Thema gewidmet", sagt Kuratorin Marie-Lotta Karcher. Präsentiert wird die Schau in der "KulturBäckerei", einem Kunstzentrum, das Junges Sparkassenstiftung als Non-Profit-Projekt betreibt. Die Ausstellung präsentiert alle Starschnitte, insgesamt rund 120. Sie spiegelten eine bunte Mischung der Stars vor allem aus Musik, Film und Fernsehen. "Nur Pierre Brice wurde dreimal gezeigt. "Immer als Winnetou", sagt Junge.

"Das ist Zeitgeschichte, das ist Jugendgeschichte, das ist Kulturgeschichte über die Musik weit hinaus", sagt er. Die Auflage war einst siebenstellig und die Hefte wurden weitergereicht. "Rund fünf bis sechs Millionen haben die Zeitschrift gelesen", schätzt Junge. Auf die Idee zur Ausstellung ist der 57-Jährige beim Aufräumen gekommen. "Meine Frau sagte: Mach den Dachboden begehbar!", sagt er lachend. Dabei habe er einen Karton mit seinen Starschnitten gefunden - unvollständig. "Bei Suzi Quatro fehlten ein Knie und der Busen", sagt Junge.

Rund 50 Exemplare hat Junge danach zusammengetragen. In der Ausstellung sind aber nur gut gemachte Faksimiles zu sehen. "Viele Originale wären heute unbezahlbar", so Junge. "Mit dem Starschnitt konnte man sich sein Idol ins Zimmer holen", sagt Kuratorin Karcher. "Heute kann man den Stars auf anderen Wegen nahe sein, auch viel schneller und unmittelbarer als früher. Durch Apps könne man den Stars praktisch live folgen. Die Kulturwissenschaftlerin ist Jahrgang 1991, ein Jahr später kam das Aus für den Starschnitt.

Erst beim Blick ins Archiv erinnerte sich 1996 der damalige Bravo-Chefredakteur Gerald Büchelmaier, dass er selbst das einstige Markenzeichen aus dem Blatt gekippt hatte. "Die Jugend hat sich einfach verändert - sie will alles, und sie will es gleich", sagte er damals. "Das Warten war grauenvoll", bestätigt Junge gut 20 Jahre später. Manchmal musste man Monate warten. Am längsten mussten die Fans von November 1965 bis August 1966 für den Starschnitt der Beatles warten, sammeln, schnippeln und kleben, es waren 44 Teile in 39 Heften.

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