Wirtschaft beunruhigt wegen hartem Brexit Deutsche Wirtschaft warnt vor hartem Brexit

Berlin · Dieses Datum steht schon lange fest: Am 29. März des kommenden Jahres will Großbritannien der Europäischen Union „goodbye“ sagen. Ungeklärt sind aber nach wie vor die konkreten Modalitäten des Austritts.

Eine Einigung zwischen London und Brüssel ist zum gegenwärigen Zeitpunkt nicht in Sicht. Und die Zeit wird immer knapper. Alle Hoffnungen richten sich deshalb jetzt auf den EU-Gipfel in der kommenden Woche.

Die deutsche Wirtschaft schlug gestern schon einmal Alarm. Zu befürchtet sei eine „massive Krise“, sollte es tatsächlich zu einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union kommen. Das sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, vor Journalisten in Berlin. „Ein harter Brexit“, so Lang weiter, „wäre ein Desaster, das in Europa Zehntausende von Unternehmen und Hunderttausende von Arbeitnehmern auf beiden Seiten des Ärmelkanals in größte Schwierigkeiten brächte“.

Die Folgen dieses Schwebezustands sind nach Darstellung des BDI bereits jetzt in der Wirtschaft angekommen. Viele Unternehmen müssten in diesen Tagen schon Vorkehrungen für den Fall einer Nicht-Einigung treffen. Einige hätten bereits angekündigt, die Produktion ab Ende April 2019 im Königreich ruhen zu lassen, weil sie die Lieferwege nicht sicherstellen könnten. Andere hätten inzwischen ihre Hauptquartiere von der Insel zurück auf das europäische Festland verlagert, erklärte Lang.

Diese Entwicklung lässt sich auch an Zahlen ablesen: Im ersten Halbjahr ist die britische Wirtschaft nur noch um 1,1 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum gewachsen – das ist das zweitschlechteste Ergebnis in der EU. Allein im zweiten Quartal haben nach Angaben Langs insgesamt rund 86 000 Arbeitnehmer Großbritannien verlassen. Und die deutsche Wirtschaft? Pro Jahr gehen sieben Prozent ihrer Warenexporte ins Vereinigte Königreich. Aktuelle liege man hier schon leicht darunter, so Lang. Im Falle eines harten Brexit würden deutsche Unternehmen allerdings besonders stark leiden. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Hauptgrund sind die dann wohl fälligen Zölle. Für deutsche Exportfirmen würden sie sich laut IW auf drei Milliarden Euro summieren. Rund 60 Prozent davon gingen allein zu Lasten der hiesigen Automobilindustrie. Am Ende könnten die deutschen Ausfuhren nach Großbritannien um bis zu 57 Prozent sinken. „Dieses Horrorszenario sollte die Politik zum konstruktiven Handeln antreiben“, mahnte der Mitautor der IW-Studie, Markos Jung.

„Die Angst vor dem Abgrund muss die Fantasie beflügeln“, hofft auch BDI-Mann Lang. Zugleich räumte er jedoch ein, dass der Ball dafür im Feld der Briten liege. Dort müsse sich „endlich Realitätssinn“ breit machen. Nach den Vorstellungen des BDI braucht es ein Handelsabkommen mit London, das zumindest den Verzicht auf Zölle und Einfuhrquoten festschreibt. Nur mit einer Einigung über den Austritt im März 2019 sei eine anschließende Übergangsfrist bis Ende 2020 realistisch, die es deutschen Unternehmen ermögliche, „sich auf die vielfältigen Änderungen des Rechtsrahmens für die Zeit danach einzustellen“, erklärte Lang.

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