Von der Magie des Zauberns

St. Wendel. Kein Bier mehr da? Für Martin Mathias ist das kein Problem. Er setzt einfach den Zapfhahn am Kopf einer x-beliebigen Person an und zapft Gerstensaft. Ähnlich macht er es, wenn Speisewürze fehlt. Da zieht er nacheinander mehrere überdimensionale Maggi-Flaschen aus einer Papiertüte. All das bereitet dem 62-Jährigen aus dem St

 Fingerfertigkeiten müssen ständig trainiert werden, sagt der Bühnenkünstler Martin Mathias. Hier zeigt er Tricks mit Spiegelei und Hundeknochen. Foto: Bohnenberger & Klos

Fingerfertigkeiten müssen ständig trainiert werden, sagt der Bühnenkünstler Martin Mathias. Hier zeigt er Tricks mit Spiegelei und Hundeknochen. Foto: Bohnenberger & Klos

St. Wendel. Kein Bier mehr da? Für Martin Mathias ist das kein Problem. Er setzt einfach den Zapfhahn am Kopf einer x-beliebigen Person an und zapft Gerstensaft. Ähnlich macht er es, wenn Speisewürze fehlt. Da zieht er nacheinander mehrere überdimensionale Maggi-Flaschen aus einer Papiertüte. All das bereitet dem 62-Jährigen aus dem St. Wendeler Stadtteil Oberlinxweiler keine Schwierigkeiten. Denn Martin Mathias ist Zauberer. Zweifacher Deutscher Meister und einziger Teilnehmer aus dem Saarland bei der Weltmeisterschaft der Straßenzauberer in St. Wendel Ende August. Hier hat er ein Heimspiel. Und trotzdem bewegt er sich auf ungewohntem Terrain. Denn eigentlich macht Mathias keine Straßenzauberei. Vielmehr tüftelt er monatelang, um ein abendfüllendes Bühnenprogramm auf die Beine zu stellen. Da steckt er schon mal 10 000 Euro rein. In Kaufhäusern, auf Flohmärkten - überall entdeckt er Requisiten, die er gebrauchen kann. "Wir haben das genau aufgeteilt: Meine Frau Tatjana kümmert sich um Kleidung und Essen, und ich kann in Ruhe die Sachen für die Zauberei kau-fen", scherzt Mathias. Hier noch ein Köfferchen, da noch ein Hut oder ein sprechender Papagei. Erst neulich hat er einen Bollerwagen gekauft. "Ich muss ihn manchmal bremsen", sagt Tatjana Mathias. Denn das Requisitenlager in der alten Scheune, die an das Wohnhaus angrenzt, ist voll. Geordnet und gut sortiert, finden sich dort alle Materialien, die ein Zauberer so braucht. Von Kleidung über Instrumente, Bühnenteile und Technik bis hin zu Kleinstteilen. Eine durchsichtige Plastikkiste ist nur für Eier aller Art gedacht. Da gibt es weiße und braune Eier, Spiegeleier, halbe Eier, defekte Eier. Eine Wand ist komplett aus Spiegel. Ähnlich wie in einer Ballett-Schule. Hier übt Mathias seine Vorstellungen ein. Oft gemeinsam mit seinem 15-jährigen Sohn Jakob. Dieser stand schon als Kleinkind mit auf der Zauber-Bühne, ist heute selbst Magier und hat auch schon einen deutschen Meistertitel in der Tasche. Obwohl beide eigene Programme haben, treten sie oft zusammen auf. Das habe viele Vorteile, meint Papa Mathias. So locke der Junior ein anderes, ein jüngeres Publikum an als der Senior. Gemeinsam treten beide auch bei der WM der Straßenzauberer auf. An dem Programm arbeiten sie bereits das ganze Jahr. Beide bringen Ideen ein. "Der erste Monat des Probens ist immer der schönste, da wird noch viel herumgesponnen", sagt Mathias. Und freiwillig steht Jakob in probenintensiven Zeiten vor der Schule in aller Frühe auf, um mit dem Vater zu trainieren. Das heißt um 5.45 Uhr. In den Ferien geht's um acht Uhr los. Fingerfertigkeiten müssen ständig trainiert werden - Mathias vergleicht das mit einem Musiker: "Ein Klavierspieler kennt auch sein Handwerk und die Stücke, aber er muss immer üben, um geschmeidig zu spielen."Ähnlich sieht es auch bei einem Zauberer aus. Die Kunststücke sind oft gleich, manchmal sogar Jahrzehnte alt. Daher gilt es sie abzuwandeln, neu zu verpacken, zu präsentieren. "Die Präsentation nimmt noch mal so viel Zeit ein wie das Einstudieren selbst", sagt Mathias. Und genau das sei lange Zeit sein Problem gewesen. Lampenfieber habe ihm zu schaffen gemacht, als er als zehnjähriger Junge im Internat des Missionshauses St. Wendel die Zauberei für sich entdeckte. Damals entwickelte er eine eigene Tricktechnik, las sich Kniffe an, "aber ich war völlig ungeschickt, als ich es meinen Mitschülern vorgeführt habe". Er wurde nervös, zitterte. Die Mitschüler durchschauten seine Tricks. "Es war ein Reinfall", erzählt er heute. Aber: "Je weniger ich es konnte, umso mehr wollte ich es."Er las weiter Bücher und Zeitschriften wie die "Magische Welt", probierte immer wieder zuhause Tricks aus. Aufgetreten ist er dann aber nicht als Zauberer, sondern als Musiker. Als Schlagzeuger in der Band Pegasus sammelte er von 1970 bis 1996 Bühnenerfahrung, legte das Lampenfieber ab. "Seltsamerweise hatte ich als Musiker überhaupt kein Lampenfieber." 1992 wagte er sich dann an erste Auftritte als Zauberer. "Ich habe so gezittert, dass ich mich gefragt hab': Warum tu' ich mir das an?" Aber es klappte immer besser. Und bald bekam er auch die ersten Auszeichnungen. Höhepunkte waren die beiden Titel als Deutscher Meister 1999 in Berlin und 2002 in Leverkusen. Im September wollen er und Jakob einen neuen Anlauf wagen. Dann wird in Saarbrücken die Vorentscheidung für die Deutsche Meisterschaft 2010 ausgetragen. Zunächst aber geht's nicht um die Deutsche, sondern die Weltmeisterschaft. Und das als Straßenzauberer, was für Mathias "Zaubern unter Härtebedingungen" bedeutet: "Man weiß nie, was auf einen zukommt." Wie ist das Publikum gelaunt? Spielt das Wetter mit? Stehen Zuschauer dem Zauberer im Rücken? Dann nämlich muss er noch besser aufpassen, dass seine Tricks nicht auffliegen. Wichtig ist ihm auch das Animieren: "Man muss die Leute dazu bekommen, stehen zu bleiben." Jakob macht das mit einer Diabolo-Nummer zum Robbie-Williams-Hit "Let me entertain you" ("Lass' mich dich unterhalten"). 60 bis 80 Auftritte haben Mathias und sein Sohn pro Jahr. Jetzt nutzten sie sogar ihren Sommerurlaub, um das Programm einzustudieren. So waren sie beim Gaukler-Spektakel am Bostalsee, in Kirchheimbolanden und auf dem Zauber-Festival in Bamberg. Auch Video-Aufzeichnungen werden vom Programm gemacht. Nur um diese anzuschauen und auszuwerten, besitzt Familie Mathias einen Fernseher. Ansonsten bleibt das TV-Gerät aus: "Wir haben das Empfangsgerät ausgebaut." Denn Martin, Tatjana und Jakob pflegen ein intensives Familienleben. Da wird Skat gespielt, erzählt, zusammengesessen, Quatsch gemacht. Auch Jakob findet das Leben ohne Fernseher nicht schlimm: "Ich kenne es ja nicht anders." Das bedeute nicht, dass er nie fernsehe. Das mache er dann bei Freunden oder im Urlaub, wie kürzlich erst in Frankreich, wo sich die Familie etwas Erholung gönnte. Im Hause Mathias wird auch der Sport groß geschrieben: Zweimal pro Woche etwa wird Inliner-Hockey im Wendelinuspark St. Wendel gespielt. Martin Mathias ist Sportlehrer an der Gesamtschule Marpingen. Und nicht nur das: Er ist im Kreis St. Wendel auch Moderator für Grundschulsport. Das heißt, er zeigt anderen Lehrern, wie sie mit einfachen Mitteln ihren Sportunterricht wirkungsvoll gestalten können. Vor Jahren hatte er die Idee einer Zirkus-AG am Gymnasium Wendalinum und sorgte für die Öffnung der Turnhalle auch in den Ferien. Auf seine Initiative gehen die vielen Kletterspinnen zurück, die den vergangenen Jahren auf Schulhöfen gebaut wurden. Mathias will die Kinder motivieren, sich zu bewegen - um so auch Schäden an der Wirbelsäule vorzubeugen. Sein Engagement hat ihm übrigens 2006 den Gesundheitspreis des Saarlandes eingebracht. Dass er mit seinem Sohn bei der Zauber-WM einen Preis einheimst, damit rechnet Mathias nicht. "Unser Ziel ist es nicht, die WM zu gewinnen, sondern uns bestmöglich zu präsentieren." Mit effektvollen Zauberkunststücken wollen Jakob und Martin Mathias punkten. Wichtig ist den beiden, keine Witze auf Kosten des Publikums zu machen: "Wir wollen respektvoll mit allen umgehen, auch mit den Kindern." "Wir wollen respektvoll mit allen umgehen, auch mit den Kindern." Martin Mathiaszum Umgang mit dem Publikum

Auf einen BlickSt. Wendel steht vom 27. bis 29. August im Mittelpunkt der Zauberwelt. Erstmals richtet die Stadt St. Wendel die "Weltmeisterschaft der Straßenzauberer" aus und erwartet 30 000 Zauber-Touristen aus Deutschland und den Nachbarländern. 60 000 Euro lässt sich die Stadt den Wettbewerb kosten.Am Freitag, 27. August, ist ab 14 Uhr offizielle Eröffnung auf dem St. Wendeler Schlossplatz. Von 15 bis 23 Uhr geht der Zauber-Wettbewerb in der Innenstadt über die Bühne. Samstag, 28. August: Von zehn bis 18 Uhr zeigen die Teilnehmer beim Zauber-Wettbewerb in der Innenstadt ihr Können. Um 20 Uhr: Open-Air-Zaubergala auf dem Schlossplatz.Sonntag, 29. August: Von zwölf bis 19 Uhr lockt das Familien-Zauberfest in die St. Wendeler Innenstadt. In der Zeit von 13 bis 18 Uhr wird "Feria de los inventos" in der Mott gezeigt. red

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