"Notfallköfferchen mit Placebos"

Mit ihren jüngsten Beschlüssen hat die Koalition Handlungsfähigkeit bewiesen. Wird es für die Opposition jetzt schwerer?Steinmeier: Von Handlungsfähigkeit kann keine Rede sein. In Wahrheit hat die Koalition alle wichtigen Probleme umschifft. Da wurde ein Notfallköfferchen mit Trostpflastern und Placebos gefüllt

Mit ihren jüngsten Beschlüssen hat die Koalition Handlungsfähigkeit bewiesen. Wird es für die Opposition jetzt schwerer?Steinmeier: Von Handlungsfähigkeit kann keine Rede sein. In Wahrheit hat die Koalition alle wichtigen Probleme umschifft. Da wurde ein Notfallköfferchen mit Trostpflastern und Placebos gefüllt. Eine sechs Milliarden Euro schwere Vitaminspritze für die siechende FDP unter dem Decknamen Steuersenkung, damit sie ihren Parteitag übersteht. Und eine Zwei-Milliarden-Beruhigungspille für die CSU unter dem Titel Betreuungsgeld. Das alles ist unverantwortlich und wird die Koalition nicht gesunden lassen.

Was hat die SPD gegen die steuerliche Freistellung des Existenzminimums?

Steinmeier: Lassen Sie sich von der Regierung nicht auf den Holzweg führen. Die sind nach dem Koalitionsausschuss mit der Nachricht Steuersenkungen an die Öffentlichkeit gegangen. Sie haben Geld ausgegeben, was sie nicht haben. Wenn sie jetzt nicht mehr über Steuersenkungen, sondern über die Sicherung des Existenzminimums reden wollen, dann sollen sie das klar sagen und im Haushaltsausschuss die notwendigen Berechnungen vorlegen. Aber innerhalb einer Woche drei mal die Meinung wechseln, einmal Vorrang für Schuldenabbau, dann Steuersenkung, am Ende Sicherung des Existenzminimums - das geht doch auf keine Kuhhaut.

Durch den ebenfalls geplanten Abbau der kalten Progression sollen Arbeitnehmer mehr von ihren Lohnzuwächsen übrig haben. Was stört Sie daran?

Steinmeier: Um das mal klar zu stellen: Wenn die Regierung behauptet, diese Maßnahme nutze vor allem Niedrigverdienern, dann sind das für diese Gruppe genau 1,41 Euro extra pro Monat. Gutverdiener kommen dagegen je nach Berechnung auf das sechs- bis achtfache. Das ganze Gerede von mehr Steuergerechtigkeit ist doch eine Farce.

Wird die SPD im Falle einer Regierungsübernahme das Betreuungsgeld wieder rückgängig machen?

Steinmeier: Das Betreuungsgeld ist der falsche Weg. Denn damit fehlt das Geld, wo es am dringendsten gebraucht wird. Beim Ausbau der Kitas. Dort fehlen noch über 230 000 Plätze. Das Schlimmste ist, dass die Regierung jetzt den Familien Geld anbietet, die ihre Kinder zuhause lassen. Wie werden wohl die entscheiden, die dann keine Kitagebühren zahlen müssen und obendrauf noch Betreuungsgeld kriegen? Ich prophezeie Ihnen, genau die Kinder aus Familien, wo das Geld knapp ist und die am dringensten Betreuung in Kitas und Kindergärten brauchen, die werden zuhause bleiben. Das ist gesellschaftspolitischer Unsinn. Das darf nicht Gesetz werden. Und wenn es das doch wird, muss es mit anderen Mehrheiten zurückgeholt werden.

Lesen Sie das vollständige Interview auf www.saarbruecker-zeitung.de/berliner-buero

Foto: dpa

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