Israels Friedensbewegung ohne Gehör

Tel Aviv. Gegen das Blutvergießen im Gazastreifen demonstrierten am vergangenen Wochenende in Madrid 50 000, in Paris 30 000, in London 20 000 und selbst in Duisburg 10 000 Kriegsgegner. In Tel Aviv waren es dagegen gerade mal ein paar Tausend

 Auch in Duisburg demonstrierten Tausende gegen den Krieg im Gaza-Streifen. Foto: dpa

Auch in Duisburg demonstrierten Tausende gegen den Krieg im Gaza-Streifen. Foto: dpa

Tel Aviv. Gegen das Blutvergießen im Gazastreifen demonstrierten am vergangenen Wochenende in Madrid 50 000, in Paris 30 000, in London 20 000 und selbst in Duisburg 10 000 Kriegsgegner.

In Tel Aviv waren es dagegen gerade mal ein paar Tausend. Das einst mächtige israelische Anti-Kriegslager, das zu Zeiten des Libanonkriegs der 80er Jahre im Lande Hunderttausende auf die Straße brachte, scheint nur mehr noch ein Schatten seiner selbst zu sein. So stellt es sich zumindest nach den ersten zwei Wochen dieses neuen israelischen Waffengangs dar. Uri Avnery, einer der Vorkämpfer der israelischen Friedensbewegung und des Dialogs mit den Palästinensern, wehrt sich gegen eine vorschnelle Bewertung. "Es ist immer leichter, im Ausland zu demonstrieren, als in dem Land, in dem der Krieg stattfindet", sagt der 85-Jährige. "Und wir stehen erst am Anfang. Wenn die israelische Armee in die Städte einfällt und es auch bei uns Tote gibt, wird sich die Stimmung ändern."

Avnery ist Mitbegründer der Friedensbewegung Gusch Schalom, die nicht nur einen unverzüglichen Waffenstillstand fordert, sondern auch einen Dialog mit der radikal-islamischen Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert. Dass diese seit Jahren Wohngebiete im Süden Israels mit Raketen vom Typ Kassam beschießt, rechtfertigt in den Augen einer überwältigenden Mehrheit der Israelis den gegenwärtigen Kriegszug. Avnerys Argument, dass der Raketenbeschuss seinerseits eine Folge der wirtschaftlich zerstörerischen Blockade des Gazastreifens durch Israel sei, dringt da kaum durch. Der Friedensbewegung weht der Wind ins Gesicht. Neun von zehn Israelis sehen laut Umfragen die Militäroperation in Gaza in vollem Umfang gerechtfertigt, zumal auch die israelische Regierung die deutliche Reduzierung der Raketenkapazität der Hamas als oberstes Kriegsziel definiert hat. "Es ist eine sehr komplexe Situation", sagt der Soziologieprofessor Dan Jacobson, der an der Universität Tel Aviv lehrt und sich in der Friedensorganisation Peace Now engagiert. "Es ist weder schwarz noch weiß. Es ist sehr leicht, nach der vollständigen Zerstörung der Hamas zu rufen, so wie es sehr leicht ist, in der Hamas eine Art Wiedergängerin von Mutter Teresa zu sehen."

Jacobson plädiert für Differenzierung, was die Mobilisierung unter simplen Parolen nicht gerade erleichtert. "Nach Monaten des Beschusses sahen auch wir die ersten Schläge gegen Hamas-Ziele als gerechtfertigt", sagt er. "Die Frage ist, wie lange und wie intensiv die Kampagne weitergehen soll. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht Umstände schaffen, die die Aussichten auf einen Friedensprozess verbauen." Die Initiative der arabischen Staaten von 2002, die einen dauerhaften Frieden im Austausch für eine Rückgabe des von Israel seit 1967 besetzten Landes vorsieht, biete immer noch die beste Richtschnur für ein Vorankommen dieses Prozesses.

Hintergrund

Bei neuen israelischen Angriffen im Gazastreifen wurden am Montag zehn Palästinenser getötet. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza waren unter den Toten auch Frauen und Kinder. Sie seien bei verschiedenen Panzer- und Luftangriffen im Gazastreifen ums Leben gekommen.

Der UN-Menschenrechtsrat verurteilte unterdessen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen und verlangte eine sofortige Waffenruhe. dpa

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