Konflikt in Spanien Endgültiger Bruch in Katalonien-Krise

Barcelona · Barcelona erklärt die Unabhängigkeit, und Madrid schreitet ein: Die Regionalregierung wird abgesetzt.

 Spaniens Premier Mariano Rajoy bekam Applaus im Senat: Er hatte zur Entmachtung der katalanischen Regionalregierung aufgerufen. Nachdem diese Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen hatte, folgte das Oberhaus Rajoy.

Spaniens Premier Mariano Rajoy bekam Applaus im Senat: Er hatte zur Entmachtung der katalanischen Regionalregierung aufgerufen. Nachdem diese Kataloniens Unabhängigkeit ausgerufen hatte, folgte das Oberhaus Rajoy.

Foto: dpa/Paul White

In der Katalonien-Krise ist der befürchtete Bruch da: Die spanische Regierung hat am Freitagabend die Absetzung der katalanischen Regionalregierung in Barcelona beschlossen. Das gab der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy nach einem außerordentlichen Treffen des Ministerrats in Madrid bekannt. Die Absetzung und weitere beschlossene Maßnahmen werden erst mit der Veröffentlichung im spanischen Amtsblatt wirksam. Damit verliert die Region im Nordosten Spaniens weitgehend die Autonomierechte. Der spanische Senat hatte die Entmachtung der Regionalregierung unter Carles Puigdemont am Nachmittag gebilligt.

Zuvor hatte das Regionalparlament in Barcelona die Unabhängigkeit erklärt. Katalonien werde ein „unabhängiger Staat in Form einer Republik“, hieß es in einer am Nachmittag mit der Mehrheit der Unabhängigkeitsbefürworter im katalanischen Parlament beschlossenen Resolution. Die Abgeordneten votierten in geheimer Abstimmung mit 70 Ja-Stimmen gegen zehn Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen für die Unabhängigkeitserklärung von Spanien. Allerdings hatten viele Oppositionspolitiker den Saal bereits vor dem Votum aus Protest gegen die Sezessionspläne verlassen.

Vor dem Parlamentsgebäude in Barcelona feierten nach dem Votum zehntausende Katalanen. Mit Hurra-Rufen und dem Ruf „Unabhängigkeit“ bejubelten sie die Entscheidung des Parlaments, bevor sie feierlich – viele mit erhobener Faust – die katalanische Hymne anstimmten. Ihr Regionalpräsident Carles Puigdemont forderte die Katalanen auf, weiter friedlich für die Unabhängigkeit zu kämpfen.

Kurze Zeit später folgte die Reaktion Spaniens: In Madrid stimmte der Senat, das Oberhaus des Parlaments, mit großer Mehrheit dafür, Katalonien unter Zwangsverwaltung der Zentralregierung zu stellen. Der Senat votierte mit 214 zu 47 Stimmen für die Forderungen des Kabinetts von Ministerpräsident Mariano Rajoy, die unter anderem Neuwahlen in der Region binnen sechs Monaten vorsehen. Damit wird erstmals seit 1978 der Verfassungsartikel 155 aktiviert, der es ermöglicht, „aufrührerischen“ Regionen die Autonomie zu entziehen.

Die Europäische Union erkennt die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens nicht an. „Für die EU ändert sich nichts“, schrieb EU-Rats­präsident Donald Tusk auf Twitter. „Spanien bleibt unser einziger Gesprächspartner.“ Tusk rief die Regierung in Madrid gleichzeitig auf, vom Einsatz von Gewalt abzusehen: „Ich hoffe, die spanische Regierung bevorzugt die Stärke des Arguments, nicht das Argument der Stärke.“

Die Bundesregierung äußerte sich besorgt. Regierungssprecher Steffen Seibert warf dem katalanischen Regionalparlament wegen dessen einseitiger Unabhängigkeitserklärung „Verfassungsbruch“ vor. Zugleich stellte er klar, dass die Bundesregierung die Unabhängigkeitserklärung nicht anerkennen werde.

Die Krise um Katalonien hatte sich in den vergangenen Wochen dramatisch zugespitzt. Anfang Oktober hatten in der Region bei einem von Madrid verbotenen Referendum 90 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit von Spanien gestimmt. Allerdings beteiligten sich nur 43 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung.

Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung stürzten die Aktienkurse der katalanischen Banken ab. Die Kurse der CaixaBank und der Sabadell waren bereits Anfang Oktober nach dem Unabhängigkeitsreferendum stark gefallen. Viele Kunden kündigten seither ihr Konto oder hoben ihr Geld ab. Beide Institute verlegten daraufhin ihren Unternehmenssitz in andere spanische Regionen. Insgesamt haben seit dem Referendum am 1. Oktober fast 1700 Unternehmen Katalonien verlassen.

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