SPD-Führungsduo hat sich unter Kontrolle

Berlin. "Zwischen uns passt kein Blatt Papier." Seit die kurz danach schwer verfeindeten SPD-Granden Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine sich Anfang 1998 so ihre gegenseitige Loyalität versicherten, glaubt niemand mehr daran, dass ein SPD-Führungsduo lange friedlich zusammenarbeiten kann

 Wie gut arbeiten Sigmar Gabriel (l.) und Frank-Walter Steinmeier wirklich zusammen? Foto: dpa

Wie gut arbeiten Sigmar Gabriel (l.) und Frank-Walter Steinmeier wirklich zusammen? Foto: dpa

Berlin. "Zwischen uns passt kein Blatt Papier." Seit die kurz danach schwer verfeindeten SPD-Granden Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine sich Anfang 1998 so ihre gegenseitige Loyalität versicherten, glaubt niemand mehr daran, dass ein SPD-Führungsduo lange friedlich zusammenarbeiten kann. Auch bei Frank-Walter Steinmeier, Fraktionschef, und Sigmar Gabriel, Parteivorsitzender, ist der Verdacht groß, dass hinter der harmonischen Fassade in Wirklichkeit Krieg herrscht. Doch derzeit halten die beiden ihre Konkurrenz noch unter Kontrolle - auch bei der Korrektur der Rente mit 67. Beide zeigten sich gestern bemüht, unterschiedliche Interviewäußerungen dazu nicht als Gegensatz, sondern als "zwei Seiten einer Medaille" zu interpretieren, wie Steinmeier es ausdrückte. Tatsächlich war Parteivize Olaf Scholz bereits im Mai von beiden gebeten worden, einen Kompromiss zu finden. Die Parteilinke verlangt ebenso wie der Arbeitnehmerflügel eine strikte Abkehr von der Rente mit 67, die 2006 vom damaligen Arbeitsminister Franz Müntefering verkündet worden war. Seinerzeit saßen sowohl Steinmeier wie Gabriel mit am Kabinettstisch. Scholz' Formel lautet nun, dass die Rente mit 67 so lange ausgesetzt wird, wie nicht ein größerer Anteil von Älteren Arbeit hat. Wie hoch die Quote genau sein soll, wird voraussichtlich bei der Vorstandsberatung am 22. August entschieden. Nach SPD-Angaben sind derzeit nur 25 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen über 60 Jahren in einem Job; eine Zahl, die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) allerdings heftig bestreitet (siehe Hintergrund). Steinmeier wie Gabriel haben in den vergangenen Wochen regelmäßig mit Scholz gesprochen; der Vorschlag kommt für sie nicht überraschend. Allerdings lässt er zwei Interpretationen zu. Nämlich die eine, die Gabriel betont: So lange nicht mehr ältere Leute arbeiteten, sei die Rente mit 67 "de facto nichts anderes als eine Rentenkürzung". Und die andere, die Steinmeier hervorhebt: "Müssen wir über das 65. Lebensjahr hinaus arbeiten? Ich denke, daran wird im Ergebnis kein Weg vorbeigehen." Gestern versuchten Sprecher beider Seiten den Blick von den Jahreszahlen wegzulenken. Im Grunde gehe es bei dem Rentenpapier darum, die Lebensarbeitszeit zu verlängern und mehr ältere Menschen in Arbeit zu bringen, hieß es übereinstimmend. Steinmeiers Problem ist, dass er als Vater der "Agenda 2010"-Reformen gilt, die für viele an der Basis die Ursache des Niedergangs der SPD sind. Zudem hat er bei seiner Kanzlerkandidatur 2009 das historische Debakel von 23 Prozent erlitten. Er ist gerade bei so symbolträchtigen Themen wie der Rente mit 67 eher in der Defensive. Gabriel hat diese Situation bisher jedoch nicht ausgenutzt. Im Gegenteil: Sowohl die maßvollen Korrekturen der Afghanistan-Politik wie der Arbeitsmarktpolitik formulierte er Anfang des Jahres zusammen mit Steinmeier. Umgekehrt ließ Steinmeier Gabriel öfter mal im Bundestag ran, der eigentlich sein Revier ist. Bei wichtigen Debatten wechseln sich beide dort regelrecht ab. Auf die Frage, wer der nächste Kanzlerkandidat werde, hört man gebetsmühlenartig, dass dies derzeit kein Thema sei. Gabriel ergänzt noch großzügig, dass er nicht finde, dass der Parteivorsitzende das erste Zugriffsrecht habe. Im täglichen Geschäft versuchen sich die beiden ebenfalls sehr eng abzustimmen, sowohl die jeweiligen Büroleiter wie die Pressesprecher telefonieren häufig miteinander. Einen Satz allerdings hört man weder bei Steinmeiers noch bei Gabriels Mitarbeitern - nämlich, dass zwischen beide kein Blatt Papier passe. "Die sind eben unterschiedliche Charaktere und bleiben es auch", heißt es unisono. Spätere Konflikte also sind nicht ausgeschlossen.

 Wie gut arbeiten Sigmar Gabriel (l.) und Frank-Walter Steinmeier wirklich zusammen? Foto: dpa

Wie gut arbeiten Sigmar Gabriel (l.) und Frank-Walter Steinmeier wirklich zusammen? Foto: dpa

HintergrundArbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sieht zur Rente mit 67 angesichts des drohenden Fachkräftemangels keine Alternative. "Es stimmt nicht, wie die SPD behauptet, dass wir eine anhaltend schlechte Situation für Ältere auf dem Arbeitsmarkt haben", sagte von der Leyen. Genau das Gegenteil sei in Zukunft der Fall. Die Ministerin räumte ein, dass nur 40 Prozent der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Der Anteil sei aber in den vergangenen Jahren um zwölf Prozentpunkte gestiegen, dieser Trend setze sich fort. dpa

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