Für die einen Autokrat, für die anderen Heilsbringer

Kigali. Zwei Ansichten kursieren über Ruandas Staatschef Paul Kagame (Foto: afp), deren Grundrichtungen unterschiedlicher kaum sein könnten. Seine Anhänger preisen ihn als Visionär, der dem kleinen zentralafrikanischen Land den Weg aus der Armut weist und den grausamen Völkermord der 90er Jahre aufarbeitet

Kigali. Zwei Ansichten kursieren über Ruandas Staatschef Paul Kagame (Foto: afp), deren Grundrichtungen unterschiedlicher kaum sein könnten. Seine Anhänger preisen ihn als Visionär, der dem kleinen zentralafrikanischen Land den Weg aus der Armut weist und den grausamen Völkermord der 90er Jahre aufarbeitet. Für seine Gegner ist Kagame ein Autokrat, der Ruanda mit harter Hand regiert und die Demokratie einschränkt. In einem dürften sich beide Seiten aber einig sein: die Wiederwahl des 52-jährigen Politikers bei der Präsidentenwahl am Montag stand außer Frage. Nach Angaben der Wahlkommission von gestern erhielt der Amtsinhaber fast 93 Prozent der Stimmen. Die von der Wahl ausgeschlossene Oppositionspartei FDU warf den Behörden indes Wahlbetrug vor.Schon vor der Ankündigung der Wahlkommission feierte Kagame mit seiner Familie sowie tausenden Anhängern ausgelassen. Die Liste der Kagame-Fans ist lang und illuster. Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton feierte ihn als Beispiel einer neuen Generation afrikanischer Staatsmänner. Sein wirtschaftliches Entwicklungsprogramm gilt als vorbildlich: Mit Dienstleistungen, neuen Technologien und einer Modernisierung der Landwirtschaft will Kagame Ruanda bis zum Jahr 2020 in ein Land mit einer breiten Mittelschicht verwandeln. Der Staatschef habe begriffen, dass der "Ausschluss von globalen Handels-, Investment- und Wissensnetzwerken" die Wurzel der Armut sei, sagt Michael Fairbanks, dessen US-Organisation Social Equity Venture Fund sich in Ruanda engagiert. Auch in anderen Bereichen gilt Kagames Regierung als Musterschüler: Sie kämpft gegen Korruption, stärkt die Frauenrechte und ist in der Umweltpolitik Vorreiter des gesamten Kontinents geworden. Der Präsident sei "ein Mann, der aufbaut", bemerkt ein früherer Berater. Schließlich hat sich Kagame der Aufarbeitung des Völkermords angenommen, bei dem vor 16 Jahren Hutu-Milizen binnen weniger Wochen nach UN-Schätzungen bis zu einer Million Angehörige der Tutsi-Minderheit sowie politisch gemäßigte Hutu umbrachten. Mit den so genannten Gacaca-Volksgerichten, einem einzigartigen System von Dorftribunalen, gelang es, die Mehrzahl der Genozid-Verdächtigen vor Gericht zu stellen. Kagame war im Völkermordjahr 1994 als Fremder in sein Heimatland zurückgekehrt. Tutsi-feindliche Ausschreitungen hatten seine Eltern bereits 1960 ins Exil nach Uganda getrieben, wo er aufwuchs und die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. 1987 schloss er sich der Ruandischen Patriotischen Front (FPR) an, die von ruandischen Tutsi-Flüchtlingen in Uganda gegründet worden war. Als Kagame mit der FPR 1994 das Regime von Juvenal Habyarimana stürzte und die Macht an sich riss, verordnete er einen neuen Sprachgebrauch: Künftig sollte nur noch von "Ruandern", nicht von "Tutsi" und "Hutu" die Rede sein. Die Erfahrung des grausamen Völkermordes dürfte auch Kagames autoritäre Züge erklären: Nur ein starker Staat könne das friedliche Zusammenleben garantieren. Zögerlich ließ Kagame vor sieben Jahren erstmals eine Präsidentenwahl abhalten, die er dann mit 95 Prozent der Stimmen haushoch gewann. Bei den Wahlen am Montag konkurrierte er mit drei weiteren Kandidaten, die ihn beim letzten Urnengang noch unterstützt hatten, um die Gunst der rund fünf Millionen Wahlberechtigten. Oppositionelle und Menschenrechtler klagten über massive Repressionen im Wahlkampf. Zwei von drei weiteren Oppositionsparteien wurden nicht zugelassen. Die Hutu-Oppositionspolitikerin Victoire Ingabire steht wegen des Vorwurfs, den Völkermord zu leugnen, unter Hausarrest.Meinung

Mit eiserner Hand

Von SZ-RedakteurinIris Neu Ruandas Präsident Kagame feiert einen angeblich fulminanten Sieg: Mehr als 90 Prozent soll das amtierende Staatsoberhaupt bei der Wahl erhalten haben - eine Zahl, die den Verdacht, Kagame habe die Opposition ausgeschaltet, eher bestätigen denn entkräften dürfte. Zugegeben, Kagame hat das geschundene Land seit dem von der Weltöffentlichkeit weitgehend verdrängten Genozid 1994 erfolgreich befriedet. Er hat das Gebiet zu einem Musterland Afrikas gemacht - durch wirtschaftliche Öffnung, konsequente Ahndung von Korruption, durch Bildungsreformen und verbesserte Gesundheitsversorgung. Dies alles tat er mit eisener Hand. Mag sein, dass sich vor dem Hintergrund des Völkermordes in Ruanda, wo Opfer und Täter heute Tür an Tür leben, demokratische Strukturen nicht von heute auf morgen verwirklichen ließen, dass politische Autorität zunächst geboten war. Mit der Knebelung der Opposition aber setzt Kagame nun alle Erfolge aufs Spiel und sorgt erneut für wachsenden Druck im Kessel. Der kann sich erfahrungsgemäß schnell entladen - in der Neuauflage eines blutigen Bürgerkriegs.

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