Erneutes Blutbad in Ankara

Istanbul · Zum zweiten Mal in wenigen Wochen wird die türkische Hauptstadt von einem schweren Anschlag erschüttert. Wieder detoniert eine Autobombe, diesmal an einer belebten Bushaltestelle.

 Feuerwehrleute versuchen zu retten, was zu retten ist. Hier kommt jede Hilfe zu spät. Foto: dpa

Feuerwehrleute versuchen zu retten, was zu retten ist. Hier kommt jede Hilfe zu spät. Foto: dpa

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Ein Feuerball, ein Funkenregen, Menschen, die um ihr Leben rennen: Aufnahmen einer Überwachungskamera im Herzen Ankaras dokumentierten am Sonntagabend die Wucht des zweiten tödlichen Autobomben-Anschlages in der türkischen Hauptstadt innerhalb eines Monats. Mindestens 34 Menschen starben, als unbekannte Täter am Kizilay-Platz ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug von hinten in einen Nahverkehrsbus rammten. Die Bluttat markierte eine neue Dimension des Terrors, denn sie war ganz offensichtlich gegen Zivilisten gerichtet. Der erste Tatverdacht fiel auf militante Kurden.

Im Internet kursierten nach dem Anschlag Berichte von bis zu 130 Toten, doch wurde dies nicht offiziell bestätigt. Die Art des Anschlags erinnerte an das Attentat vom 17. Februar, als ein kurdischer Extremist in Ankara einen Wagen in einen Militärkonvoi steuerte und 28 Menschen tötete. Die türkische Regierung machte für die Tat vom Februar die syrisch-kurdische Miliz YPG verantwortlich, die zum Umfeld der türkisch-kurdischen Rebellengruppe PKK gehört. Zu der Tat bekannte sich jedoch die Gruppe TAK, eine Unterorganisation der PKK in der Türkei.

Zu dem Anschlag vom Sonntag lag zunächst keine Bekennererklärung vor, auffällig war jedoch der Zeitpunkt. Nur wenige Stunden vor der Explosion hatten die Behörden im kurdischen Südosten der Türkei in zwei Gebieten neue Ausgehverbote verhängt, um gegen PKK-Trupps vorzugehen. Laut Medienberichten sollten insgesamt rund 20 000 Polizisten und Soldaten für die Offensive der Sicherheitskräfte in Nusaybin und Yüksekova aufgeboten werden. Mit ähnlichen Aktionen war der türkische Staat in den vergangenen Monaten auch in anderen Regionen des Kurdengebietes gegen PKK-Einheiten vorgegangen, die sich in mehreren Städten verschanzt hatten. Mehr als tausend Rebellen sollen dabei getötet worden sein.

Der Kolumnist Mustafa Akyol betonte, die Tatsache, dass die Täter auf Zivilisten zielten, sei ein Zeichen für "eine brutalere Terrorwelle" als das bisher Erlebte. Die jüngsten Anschläge hatten sich gegen bestimmte Personengruppen gerichtet: Armeeangehörige, Linke oder Touristen. Diesmal gerieten jedoch Insassen eines Linienbusses ins Visier. Es sei das erste Mal gewesen, das "Leute völlig willkürlich getroffen" wurden.

Das könnte auf eine erneute Radikalisierung der Auseinandersetzungen in der Türkei hinweisen. Der Kurdenkonflikt eskaliert seit dem Zusammenbruch der Friedensgespräche zwischen dem türkischen Staat und der PKK im vorigen Sommer stetig. Kurdenpolitiker werfen den Sicherheitsbehörden vor, im Südosten Massaker an Zivilisten verübt zu haben. Ankara weist das zurück.

Der Anschlag vom Sonntag rund vier Wochen nach dem Blutbad vom Februar war die dritte schwere Gewalttat in Ankara innerhalb von fünf Monaten: Im Oktober hatten sich Anhänger des Islamischen Staates bei einer Demonstration linker und kurdischer Gruppen in die Luft gesprengt und mehr als 100 Menschen getötet. Im Januar tötete ein IS-Mitglied im Zentrum von Istanbul außerdem zwölf deutsche Touristen.

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