Designated Survivor Ein Ersatz-Präsident für den Fall der Fälle

Washington · Donald Trump hielt am Dienstag die Rede zur Lage der Nation – im Beisein der gesamten US-Polit-Elite. Nur der „Designated Survivor“ durfte nicht dabei sein.

 Der damalige Energieminister Rick Perry war vor einem Jahr „Designated Survivor“.

Der damalige Energieminister Rick Perry war vor einem Jahr „Designated Survivor“.

Foto: dpa/Jacquelyn Martin

Es ist ein Ritual, das zur „State of the Union Address“ gehört wie die – oft grotesk übertrieben wirkenden – stehenden Ovationen. Bevor der Präsident der Vereinigten Staaten, so wie er es am Dienstagabend (Ortszeit) tat, seine Rede zur Lage der Nation hält, wird ein Mitglied seines Kabinetts dazu bestimmt, im Falle einer Katastrophe seinen Platz einzunehmen. Die Regelung geht zurück auf die kälteste Phase des Kalten Krieges, als man in Washington mit einer nuklearen Attacke der Sowjetunion rechnete und entsprechende Vorkehrungen traf.

Wohin die Personenschützer des Secret Service den Ersatzmann oder die Ersatzfrau bringen, bleibt Staatsgeheimnis. Man weiß nur, dass es sich um eine Örtlichkeit handelt, die nicht in der Hauptstadt liegen darf, aber auch nicht zu weit von ihr entfernt. Man weiß, dass ein Militär ihm oder ihr den Football hinterherträgt, den Koffer mit den Codes für die amerikanischen Atomwaffen. Und wie es sich anfühlt, zum „Designated Survivor“ (auf Deutsch: designierter Überlebender) ernannt zu werden, hat einer, der es wissen muss, vor zwei Jahren in einem Fernsehinterview angedeutet. „Im ersten Moment dachte ich, ich hätte was falsch gemacht“, verriet Bill Richardson, einst von Bill Clinton dazu erkoren, die Rolle zu spielen. Zunächst, erinnerte sich der ehemalige Energieminister, sei er enttäuscht gewesen. Zu gern hätte er sich aus nächster Nähe angehört, was der Präsident zur Lage der Nation zu sagen hatte.

Designated Survivor: Gemeint ist das Regierungsmitglied, dessen Überleben garantiert sein muss für den Fall, dass etwa bei einem Bombenangriff oder einem Terroranschlag die komplette politische Elite des Landes ums Leben kommt. Die nämlich ist an dem Abend der Rede vollzählig versammelt in der Abgeordnetenkammer. Womit im Falle eines Desasters Makulatur wäre, was sowohl die Verfassung als auch der Presidential Succession Act von 1947 regeln. Demnach rückt der Vizepräsident ins Oval Office auf, sollte der Präsident sein Amt nicht mehr ausüben können. In der Hierarchie folgen: der Sprecher des Repräsentantenhauses (aktuell eine Sprecherin, Nancy Pelosi), der ranghöchste Senator, dann die Minister in einer gesetzlich festgelegten Sequenz.

Wie es aussähe, sollte der Designated Survivor tatsächlich zum Einsatz kommen, hat eine Netflix-Serie gleichen Namens in telegener Dramatik ausgemalt. Tom Kirkman, ein Wohnungsbauminister auf dem absteigenden Ast, findet sich plötzlich im Zentrum der Macht wieder. Während das Kapitol nach einer Sprengstoffexplosion in rauchenden Trümmern liegt, hat er die Fäden der Staatsgeschäfte in die Hand zu nehmen.

Im wahren Leben sind ein paar Feinheiten zu beachten. So muss der zum Überleben Bestimmte nicht nur mindestens 35 Jahre alt, sondern auch auf amerikanischem Boden geboren sein. Wen der Senat nicht bestätigt hat auf seinem Posten, der scheidet aus.

Vor zwölf Monaten war es Rick Perry, der mittlerweile zurückgetretene Chef des Energieressorts, der die Stellung zu halten hatte. Davor war Sonny Perdue an der Reihe, ein Politikveteran aus Georgia, zuständig für das Ressort Landwirtschaft. Bis heute haben beide mit keiner Silbe verraten, wie sie seinerzeit den Abend verbrachten. Nur Bill Richardson hat es einmal detaillierter beschrieben: Er logierte in Oxford, einer Kleinstadt in Maryland, 129 Kilometer östlich vom Kapitol. Im Januar 2000 war das, vor den Anschlägen vom 11. September 2001 – die für den Designated Survivor eine noch strengere Geheimhaltung zur Folge hatten. Nach 9/11 hat keiner mehr aus dem Nähkästchen geplaudert.

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