„Caucus“ in Iowa Chaos-Vorwahl bei den US-Demokraten

Des Moines · Beim „Caucus“ in Iowa lassen die Ergebnisse lange auf sich warten. Ein Präsidentschaftskandidat erklärt sich trotzdem früh zum Sieger.

  Lange vor Bekanntgabe der Vorwahl-Ergebnisse in Iowa präsentierte sich der demokratische Ex-Bürgermeister Pete Buttigieg als strahlender Sieger.

Lange vor Bekanntgabe der Vorwahl-Ergebnisse in Iowa präsentierte sich der demokratische Ex-Bürgermeister Pete Buttigieg als strahlender Sieger.

Foto: AP/Charlie Neibergall

Bernie Sanders versuchte es mit einer Prise trockenen Humors. „Ich kann mir vorstellen, ich habe stark den Eindruck, dass die Ergebnisse irgendwann bekannt gegeben werden“, witzelte der US-Senator aus Vermont, als er zur Geisterstunde in Des Moines auf einer Wahlparty sprach. Auf einer Party, auf der er, in den Umfragen zuletzt an erster Stelle, eigentlich seinen Sieg feiern wollte. Was nun aber, angesichts blamablen Technikversagens, nicht möglich war.

Der Auftakt der Vorwahlen der Präsidentschaftskandidaten, er wurde für Amerikas Demokraten zu einem glatten Fehlstart. Am Montagabend hatten eingetragene Mitglieder oder Sympathisanten der Partei auf fast 1700 Wahlversammlungen in Iowa darüber abgestimmt, wen sie für den geeignetsten Herausforderer von Präsident Donald Trump halten. Doch die so oft praktizierte Aufgabe, die einzelnen Resultate zu sammeln, um das Gesamtergebnis zu ermitteln, endete in heillosem Chaos. Normalerweise steht spätestens in den frühen Morgenstunden fest, wer den Wettlauf gewonnen hat. Diesmal konnten die Verantwortlichen auch am Morgen danach nicht mal Bruchstückhaftes vermelden. Mandy McClure, die lokale Sprecherin der Demokraten, sprach kryptisch von „Qualitätskontrollen“, die man vornehmen müsse, bevor sie ebenso kryptisch erklärte, dass man hier und da Ungereimtheiten zu bereinigen habe.

Wie sich bald herausstellte, konnten Einzelergebnisse entweder nur mit großer Verzögerung oder zunächst überhaupt nicht an die Zentrale in Des Moines, der Hauptstadt des Bundesstaats, übermittelt werden. In etlichen Fällen scheint eine Handy-App nicht funktioniert zu haben, obwohl McClure das bestritt. Verzweifelte Freiwillige, damit beauftragt, die Resultate ihrer Wahlversammlungen zu melden, berichteten ratlos von einer Serie technischer Pannen. Mal ließ sich die App nicht herunterladen. Mal soll die Software trotz Eingabe der richtigen Pin nicht reagiert haben.

Kein Wunder, dass die Kampagne Trumps umgehend Kapital aus der Pannenserie zu schlagen versuchte. Prompt stempelte der Wahlkampfmanager des republikanischen Präsidenten die Demokraten zu Amateuren, die zwar große Pläne entwerfen, aber selbst an den einfachsten Aufgaben scheitern. „Sie wollen regieren und schaffen es nicht mal, einen Caucus über die Bühne zu bringen“, spottete Brad Parscale.

Unter einem „Caucus“ versteht man jenes antiquiert anmutende Verfahren, das in Iowa über die Erstplatzierten entscheidet. Die Abstimmung erfolgt nicht per Stimmzettel in einer Wahlkabine, sondern dadurch, dass sich eine bestimmte Gruppe zu einem bestimmen Kandidaten bekennt. Zu diesem Zweck kommen Wähler in Schulturnhallen, Kirchen oder Bibliotheken, bisweilen auch in Privatwohnungen zusammen. Anfangs begründen Anhänger des jeweiligen Bewerbers, warum sie ihren Favoriten dereinst im Weißen Haus sehen wollen. Nach kurzer Debatte teilt man sich in Grüppchen auf, allerdings müssen mindestens 15 Prozent der Anwesenden einem Aspiranten den Zuschlag geben, wenn der nicht leer ausgehen soll. Wer einer Gruppe angehört, deren Favorit unter diesem Wert bleibt, kann in einer zweiten Runde ins Lager eines anderen wechseln. Erst danach wird ausgezählt. Und weil das Verfahren, so kompliziert es ist, bereits so oft praktiziert wurde, kam die Erkenntnis, dass diesmal vieles nicht so lief, wie es laufen sollte, umso überraschender.

Wer von den elf Bewerbern das Rennen machen würde, war auch bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch offen. Was den Jüngsten des Feldes freilich nicht daran hinderte, sich zum Sieger zu erklären. „Wir kennen noch nicht alle Ergebnisse. Aber wir wissen, wenn alles unter Dach und Fach ist, habt ihr hier in Iowa die Nation geschockt“, jubelte Pete Buttigieg, 38 Jahre alt, bis vor wenigen Wochen Bürgermeister der mittelwestlichen Industriestadt South Bend. Die Wähler Iowas, suggerierte er, hätten ihn zum Spitzenreiter gemacht, ihn, den als Außenseiter Gestarteten, der es den Etablierten gezeigt habe. Am Dienstagnachmittag ging indes Sanders‘ Team in die Offensive, indem es einen internen Zwischenstand meldete, nach dem Sanders gewann.

Joe Biden, der vor Monaten als Favorit an den Start gegangen war, unter seinen Anhängern aber keine Begeisterung zu schüren versteht, ließ Bedenken zu Protokoll geben. Wenn von Qualitätskontrollen die Rede sei, schrieb einer der Anwälte des Ex-Vizepräsidenten, dann wolle man eine Erklärung darüber, „welche Methoden Sie dabei anwenden“. Es klang, zunächst jedenfalls, nach einer – womöglich tagelangen – Hängepartie.

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