Sexueller Missbrauch Wenn Schwimmlehrer zu Tätern werden

Stuttgart/Baden-Baden · Ein Mann aus Baden-Baden soll seine Vetrauensposition als Schwimmlehrer ausgenutzt und etliche Kinder sexuell belästigt haben. Derzeit sind acht Fälle bekannt, die Polizei geht jedoch von mehr aus.

 Er sollte ihnen das Schwimmen und Tauchen beibringen, nutzte die Situation aber schamlos aus. Ein Schwimmlehrer soll in Baden-Württemberg mehrere Kinder sexuell missbraucht haben.

Er sollte ihnen das Schwimmen und Tauchen beibringen, nutzte die Situation aber schamlos aus. Ein Schwimmlehrer soll in Baden-Württemberg mehrere Kinder sexuell missbraucht haben.

Foto: dpa/Franziska Kraufmann

() Ein Schwimmlehrer ist für Kinder eine Art Vertrauensperson. Er soll ihnen die Angst vorm Wasser nehmen, damit sie sich darin sicher bewegen können. Ein 33-jähriger Mann aus Baden-Baden soll diese Position schamlos ausgenutzt haben: Er habe fünfjährige Mädchen sexuell missbraucht und seine Taten mit einer Unterwasserkamera aufgenommen. Etliche Eltern in sechs baden-württembergischen Orten, wo der Mann wirkte, werden sich nun mit mulmigem Gefühl fragen, ob auch ihre Kinder dazu gehören.

Die Polizei prüft, ob es weitere Verdachtsfälle gibt. Auf ein Schreiben des Polizeipräsidiums Offenburg an alle Schwimmschüler des Mannes hätten sich acht Eltern gemeldet, berichtet Staatsanwalt Michael Klose gestern. Diese Zahl stamme vom vergangenen Montag und könne sich inzwischen erhöht haben. Bislang lägen zwei Anzeigen und vier Videobeweise vor, so der Staatsanwalt. „Pädophile nutzen oft jede Gelegenheit, um ihren Trieb auszuleben. Das könnte auch in diesem Fall so sein, so dass die Anzahl der Taten sich möglicherweise stark vergrößert.“ Der nicht vorbestrafte Beschuldigte hüllt sich laut Polizei in Schweigen und sitzt in Untersuchungshaft. Die Beamten stellen sich darauf ein, dass die Ermittlungen mehrere Monate dauern werden.

Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, stellt klar: Den Kindern müsse im Unterricht Hilfestellung gewährt werden. Dabei müssten der Schwimmlehrer zwangsläufig Beine und Bauch berühren – allerdings alles ohne sexuelle Absicht. Rörig setzt auf Transparenz und klare Regeln. So müsse beispielsweise das Vier-Augen-Prinzip gelten: „Der Lehrer darf nie allein und unbeobachtet mit dem Kind im Wasser und in der Umkleidekabine sein.“ Er findet es gut, wenn die Eltern beim Unterricht in der Halle bleiben oder zumindest aus dem Außenbereich das Geschehen beobachten können. Zu Beginn eines jeden Schwimmkurses sollte in Gegenwart von Kindern und Eltern über die Einhaltung der Grenzen von Körperkontakt in altersgerechter Art und Weise gesprochen werden, sagt Rörig weiter.

„Den Kindern muss klar gemacht werden, dass sie schreien oder heulen dürfen, wenn ihre Geschlechtsteile angefasst werden und dass sie äußern, wenn sie sich in Gegenwart des Schwimmlehrers unwohl fühlen.“ Der Beauftragte rät Eltern, genau auf das Verhalten ihrer Kinder zu achten. „Wenn die Kinder den Schwimmunterricht verweigern, sollten bei den Eltern alle Alarmglocken klingeln.“ Die Leiterin der Bäderbetriebe in Bad Herrenalb, Karina Herrmann, weiß um die Problematik. Einerseits müssten Schwimmlehrer die Haltung der Kinder korrigieren, andererseits liefen sie immer Gefahr, angezeigt zu werden. „Das Beibringen geht halt nicht nur über Kommunikation oder Bilder.“ Den Schwimmmeistern sei aber strikt verboten, die Umkleidekabinen zu betreten.

Und die Opfer? Nach Angaben der Beratungsstelle für Opfer sexueller Gewalt, Wildwasser in Stuttgart, sind die unmittelbaren Folgen Scham, Sprachlosigkeit, Verwirrung. Die Verunsicherung sei umso schlimmer, da es bei den Tätern um betreuende Personen – Lehrer, Sporttrainer, Kirchenmitarbeiter – gehe, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatten. „Potenzielle Täter suchen sich gerade solche Bereiche, wo sie Zugriff auf Kinder haben“, sagt Katharina Vorwald-Karle von Wildwasser.

Die Therapeutin rät, von Mitarbeitern ein erweitertes Führungszeugnis zu verlangen, und diese Praxis auf Vereine und andere Häuser der Jugendarbeit auszudehnen. Der Deutsche Schwimmlehrerverband arbeitet bereits mit dem Instrument des Führungszeugnisses und räumt schockiert ein: Trotz aller Maßnahmen gebe es leider keine hundertprozentige Sicherheit – das zeige der aktuelle Fall.

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