Unterschätztes Risiko Wie gefährlich sind E-Zigaretten?

Berlin/Washington · Hersteller empfehlen E-Zigaretten als weniger schädliche Alternative zum Tabak-Rauchen. Für Ärzte sind sie eine Gesundheitsgefahr.

 Experten warnen vor E-Zigaretten: Schadstoffärmer heiße nicht schadstofffrei.

Experten warnen vor E-Zigaretten: Schadstoffärmer heiße nicht schadstofffrei.

Foto: dpa-tmn/Franziska Gabbert

Der Tod Dutzender Menschen nach dem Gebrauch von E-Zigaretten hat in den Vereinigten Staaten Sorge ausgelöst. Der US-Gesundheitsbehörde CDC zufolge starben bereits mehr als 50 Menschen, die Zahl der Erkrankten liege bei mehr als 2500 Fällen. Die US-Regierung möchte den Verkauf von E-Zigaretten mit Geschmacksrichtungen beschränken, die besonders Jugendliche ansprechen. Die Aufsichtsbehörde FDA (Food and Drug Administration) teilte mit, nach dem Ablauf von 30 Tagen seien Geschmacksrichtungen  wie etwa Frucht oder Minze nicht mehr erlaubt. Tabak und Menthol sind von der Beschränkung nicht betroffen. Ebenso wenig andere Modelle wie E-Zigaretten mit kleinen Tanks, die selbst befüllt werden können.

In Deutschland und auch europaweit ist bislang kein ähnlicher Anstieg von Lungenschädigungen bekannt. In Deutschland ist aber die Zusammensetzung der Wirkstoffe von E-Zigaretten strenger reguliert als in den USA. Und doch gibt es einen Satz, den wohl fast alle Streitparteien unterschreiben würden, vom Arzt bis zum Hersteller: Die E-Zigarette ist die weniger schädliche Alternative zur herkömmlichen Zigarette. Was aber bedeutet das „weniger“?

Sicher ist: Vieles ist unklar. Immer neue Studien erscheinen, die ein teils dramatisches Bild der Gesundheitsgefahren zeichnen, etwa in Bezug auf Bronchitis oder die Lungenkrankheit COPD. Hinzu kommen mysteriöse Lungenerkrankungen in den USA, mit mehr als 50 Todesfällen. Als Ursache wird dabei aber ein spezielles Öl mit Vitamin E vermutet, nicht die E-Zigarette an sich.

Schadstoffärmer, nicht schad­stofffrei: „Man muss die E-Zigarette differenziert betrachten – auch daher kommt die Verwirrung in der Öffentlichkeit“, erklärt Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Regulärer Zigarettenrauch enthalte Tausende Substanzen, und an die Hundert davon seien krebserzeugend. „Im Vergleich dazu enthält das Aerosol aus der E-Zigarette deutlich weniger Schadstoffe. Es ist aber bei weitem nicht schadstofffrei.“

Der Forschung fehlen Daten: Doch wie groß ist diese Belastung? Die Hersteller im Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) verweisen auf Studien, die das „Weniger“ an Risiko zählbar machen: 95 Prozent weniger Risiko sollen es zum Beispiel sein, die Krebsgefahr soll sogar um 99,5 Prozent sinken.

Doch für solche konkreten Angaben ist es noch viel zu früh, sagen Experten. „Bei Zigaretten hat es Jahrzehnte gedauert, bis wir die Gesundheitsgefährdung richtig einschätzen konnten“, sagt Wulf Pankow von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP).

„Zahlreiche Hinweise“ auf Gefahren: Wie groß das Problem ist, zeigt die Frage nach dem Krebsrisiko. Die ersten Studien zur E-Zigarette mit längerem Untersuchungszeitraum werden nun veröffentlicht. Beobachtungszeitraum: zwei oder drei Jahre. Um das Krebsrisiko einschätzen zu können, müsste man aber eher zehn bis 20 Jahre anschauen, wie Katrin Schaller erklärt.

Und auch bei anderen Krankheiten lichtet sich der Nebel nur langsam: „Welche Gesundheitsschäden und sonstige Langzeitfolgen der Konsum von E-Zigaretten hat, wissen wir noch nicht“, sagt Pankow. „Gerade mit Blick auf die Lunge und die Gefäße gibt es aber zahlreiche Hinweise, dass der Konsum zumindest nicht harmlos ist.“

Wie süchtig machen E-Zigaretten? Fest steht, dass es sogenannte Akut-Effekte gibt, wie der Pneumologe erklärt, „also eine Belastung der Lunge, die zum Beispiel für Menschen mit chronischen Atemwegskrankheiten ungünstig sind“. Für Asthmatiker ist die E-Zigarette also definitiv nichts.

Hinzu kommt die Suchtgefahr. Auch da gibt es zumindest Hinweise auf ein Problem, wie Pankow erklärt. „E-Zigaretten enthalten auch Nikotin“, sagt er. „Nikotin ist der Stoff, der bei herkömmlichen Zigaretten süchtig macht – deshalb ist davon auszugehen, dass es auch bei E-Zigaretten eine Suchtgefahr gibt.“ Und die E-Zigarette als Beitrag zur Entwöhnung? Auch das ist in der Forschung noch umstritten, sagt DGP-Experte Pankow.

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