Gewerkschaften Im Saarland sind die Gewerkschafter jünger

Saarbrücken/Köln · Die Gewerkschaften vergreisen allmählich, wie aus einer Studie hervorgeht. Im Saarland ist der Altersdurchschnitt allerdings besser.

 Die jungen Gewerkschafter sind auch bei Protestaktionen dabei – und das mit Fantasie.

Die jungen Gewerkschafter sind auch bei Protestaktionen dabei – und das mit Fantasie.

Foto: dpa/dpaweb/A3609 Daniel Karmann

Gewerkschaften, das zeigt eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, werden in Deutschland immer älter. Während der Studie zufolge 24,3 Prozent der Arbeitnehmer im Jahr 2014 der Altersgruppe 16 bis 30 Jahre angehörten, waren es unter den Gewerkschaftsmitgliedern nur 15,3 Prozent. Umgekehrt ist es bei den über 50-Jährigen. 35,5 Prozent der Arbeitnehmer waren laut der Studie 51 bis 65 Jahre alt, bei den Gewerkschaftsmitgliedern gehören 42 Prozent dieser Gruppe an.

Deutschland ist kein Einzelfall, wie die IW-Studie zeigt. Nach einer Auswertung des European Social Survey (ESS) durch das Kölner Institut tritt das Phänomen alternder Gewerkschaften in den meisten europäischen Ländern auf. Ähnlich signifikant zeigt sich das auch in Norwegen, dem Vereinigten Königreich und Schweden.

Die Gewerkschaften im Saarland können dieses Phänomen nur bedingt bestätigen. Zwar würde der Altersdurchschnitt der Gewerkschaftsmitglieder steigen, bestätigt Verdi-Sprecher Dennis Dacke – bundesweit beträgt das Durchschnittsalter der Verdi-Mitglieder demnach 53 Jahre – im Saarland dagegen seien die Mitglieder jünger – hier liegt das Alter laut Dacke im Schnitt bei 49,3 Jahren. Das Saarland sei in dieser Hinsicht ein Lichtblick, sagt Dacke: „Im Jahr 2016 sind mehr Auszubildende denn je im Saarland Verdi beigetreten.“ Verdi sei hier mit der Jugendarbeit auch sehr aktiv: „Es zeigt sich, dass immer mehr junge Menschen einen Sinn in einer Gewerkschaftsmitgliedschaft sehen“, sagt er.

Auch die IG Metall im Saarland geht die Nachwuchsgewinnung sehr offensiv an: „Natürlich ist es ein wichtiges Thema, junge Menschen für die Gewerkschaftsarbeit zu gewinnen“, sagt Ralf Reinstädtler, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Homburg. Aber gerade im Metallbereich sei die Bereitschaft sehr hoch, sich gewerkschaftlich zu organisieren: 80 bis 85 Prozent der Auszubildenden im Homburger Bereich würden auch Mitglied in der Gewerkschaft. Noch besser ist es in Völklingen: Robert Hiry, Erster Bevöllmächtigter der Völklinger IG Metall sagt, dass bei ihnen im vergangenen Jahr sogar 97 Prozent aller Auszubildenden Gewerkschaftsmitglied geworden seien. Grund dafür sei, dass sich beispielsweise über die Vergütung und die Urlaubstage zeige, dass sich Gewerkschaftsarbeit lohnt. Reinstädtler wiederum berichtet von Erfolgen in einer Gruppe, die oft gar nicht so im Fokus der Gewerschaft steht – den Studierenden. Die wurden von den Unternehmen nämlich häufig unter Tarif beschäftigt. „Gemeinsam haben wir dann durchgesetzt, dass sie Zugang zu unserem Tarif haben“, sagt Reinstädtler. Und viele würden dann nach Einsätzen beispielsweise als Ferienbeschäftigte weiter IG-Metall-Mitglieder bleiben.

Die Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) sieht gerade bei den Jüngeren einen Schwerpunkt: In der Altersgruppe unter 27 Jahren habe die Gewerkschaft seit 2011 die Zahl ihrer Mitglieder verdoppelt – von zuvor 130 auf jetzt 270. Überhaupt würde die NGG bei der Zahl ihrer Mitglieder seit Jahren kräftig wachsen. Pro Jahr gebe es einen Zuwachs von sechs Prozent, wobei eben der Schwerpunkt bei den Jüngeren liege.

David Maaß, Landesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Saarland berichtet auch von einem hohen Organisationsgrad beim Polizeinachwuchs. „In jedem Neueinstellungsjahrgang werben wir rund 96 Prozent der Jungen“, sagt Maaß. Dass die Jugendorganisation damit so großen Erfolg hat, führt Maaß neben vielen gemeinsamen Veranstaltungen auch auf die schwierige Situation der Polizei aufgrund der Schuldenbremse im Saarland zurück. „Die Kollegen merken schnell, dass es gut ist, eine Vertretung zu haben“, sagt Maaß.

Bei der IG BAU berichtet Sprecher Ruprecht Hammerschmidt dagegen von größeren Schwierigkeiten, den Nachwuchs von der Gewerkschaftsarbeit zu überzeugen. Das liege allerdings auch an zunehmender Unkenntnis über die Rolle der Gewerkschaften: „Manche Jugendliche denken, dass der Lohn von den Behörden festgelegt wird“, sagt er. „Wenn solches Basiswissen nicht mehr in den Schulen unterrichtet wird, gibt es natürlich auch kein Verständnis mehr für Gewerkschaftsarbeit.“ In den 50er und 60er Jahren sei es selbstverständlich gewesen, mit der Ausbildung auch in die Gewerkschaft einzutreten. Dieser Automatismus habe sich etwas aufgelöst. Trotzdem sei auch die IG BAU mit Jugendsekretären und Bildungskonferenzen aktiv, junge Mitglieder zu begeistern.

Das IW-Institut setzt sich trotz seiner Nähe zu den Arbeitgebern auch für starke Gewerkschaften ein. Diese seien wichtig, weil mit zurückgehenden Mitgliederzahlen auch die Durchsetzungskraft sinke und die Tarifbindung abnehme, sagt der IW-Tarifexperte Hagen Lesch. „Schwache Gewerkschaften bringen uns nicht weiter“, sagt er.

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