„Sind wir nicht alles Performer?“

Saarbrücken · War das eine Lesung? Oder Performance? In jedem Fall war der Montagabend im Saarländischen Künstlerhaus höchst unterhaltsam: Der Autor/Musiker/Theker Lee Hollis stellte Erzählungen vor.

Es mussten sogar noch Stühle gebracht werden - kein Wunder, wenn "einer der bedeutendsten Künstler unserer Stadt" liest, "Erfinder des Punkrock", der einst "mit einer ganzen Armee legal in die BRD" flüchtete und mit mehreren Bands "epochale Alben" aufgenommen hat. So stellte am Montag Hans Gerhard vom Saarländischen Künstlerhaus fabulierfreudig den US-amerikanischen Punkrock-Sänger und Autor Lee Hobson Hollis vor - auch bekannt dafür, dass er als Theker einer Saarbrücker Szenekneipe Bierflaschen mit gezieltem Handkantenschlag öffnet.

Von Legendenbildung bereinigt, liest sich Hollis' Künstler-Vita so: 1963 geboren, kam er Anfang der 1980er als GI der US-Army ("Soldat zu werden, war das Dümmste, was ich in meinem Leben gemacht habe") nach Kaiserslautern, sang bei den Bands Spermbirds, Walter Elf und anschließend bei 2BAD und Ankry Simons, aus der die Band Steakknife hervorging. Daneben schrieb er für die Punk-Zeitschrift Zap und veröffentlicht seit den 1990ern englischsprachige Kurzgeschichten.

Englisch war nun auch die Arbeitssprache bei seiner Lesung - oder war's doch eine Performance? "Sind wir nicht alle Performer?", sagte Hollis und grinste. Drahtig, energiegeladen, nervös: Hollis erweckte den Anschein, als ob er jeden Moment explodieren könne. Seine Performance bestand hier nicht unwesentlich im Kampf mit drei Brillen gleichzeitig und mit dem Mikrofon. Das hielt er wie bei einem Konzert in der Hand, den Korb fest umklammert und dicht an die Lippen gepresst, so dass seine Stimme mulmig und verzerrt klang - aber hey, das ist Punkrock. Ehrensache, dass es in seinen autobiografisch geprägten Geschichten aus Ich-Erzählerperspektive von Kraftausdrücken wie "fuck, bitch, shit" nur so wimmelte. Mit genauem Blick, lakonischem Humor und gelegentlichen Ausflügen ins Surreale berichtete Hollis von Ärger mit der Gerichtsbarkeit und einem überempfindlichen Nachbarn ("Ja, ich kann sehr laut sein!"), von einem Zusammenstoß zwischen Punkrockern und Skinheads, drakonischen Erziehungsmaßnahmen an jugendlichen Kneipengästen und seiner Faszination für die Mechanismen des Horrors.

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