Geschäft mit Zähnen Zahnärzte im Visier von „Heuschrecken“?

Frankfurt · Vermehrt steigen Finanzinvestoren ins Geschäft mit Zahnärzten ein. Ein Ärzteverband warnt vor einem Ausverkauf zulasten der Patienten.

 Viele junge Zahnärzte scheuen die hohen Kosten für eine eigene Praxis und arbeiten lieber als Angestellte.

Viele junge Zahnärzte scheuen die hohen Kosten für eine eigene Praxis und arbeiten lieber als Angestellte.

Foto: dpa/Markus Scholz

„Spekulanten“, „Heuschrecken“, „Finanzjongleure“ – Zahnärzte-Vertreter sparen nicht mit starken Worten und Vorwürfen, um einen neuen Wettbewerber zu bekämpfen. Der Grund des Alarms: Finanzinvestoren, die in die Branche hierzulande drängen und niedergelassenen Zahnarztpraxen Konkurrenz machen.

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) fürchtet schon einen Ärztemangel auf dem Land, weil Investoren für Versorgungszentren lukrative Städte bevorzugen würden. „Der Ausverkauf der Versorgung an Spekulanten ist die größte Bedrohung, die es im zahnärztlichen Bereich je gab“, warnt KZBV-Vorstandschef Wolfgang Eßer. Der Verband verhandelt mit den Kassen die Vergütungssätze für Zahnärzte. Versorgungszentren hingegen können ihre Preise freier setzen und niedergelassene Ärzte unterbieten.

In der Tat haben Investoren, die auch schon Pflegeheime betreiben, das Milliarden-Geschäft der rund 63 000 Zahnärzte in Deutschland entdeckt. Die KZBV zählt in einer neuen Analyse sieben aktive Investoren, darunter den Fonds Nordic Capital, der die Kölner Praxis-Gruppe „Zahnstation“ kaufte, und die Frankfurter Quadriga Capital, Besitzer der „Zahnärztliche Tageskliniken Dr. Eichenseer“ mit 19 Standorten. Auch die Kaffee-Dynastie Jacobs mischt über ihre Investment-Holding mit, unter der Marke Colosseum Dental Group.

Einzug gefunden haben die Investoren über eine Gesetzesänderung 2015. Seither sind medizinische Versorgungszentren mit Ärzten aus einer Fachrichtung erlaubt, etwa um zahnärztliche Behandlungen anzubieten. Das sollte die ländliche Versorgung verbessern. Manche Finanzinvestoren nutzen nun einen Kniff: Sie kaufen Kliniken in Geldnot und verwenden diese als Vehikel, um Versorgungszentren zu gründen und viele Zahnärzte anzuschließen – auch in anderen Gegenden. Solche Investoren zentralisieren bei den Zahnärzten die Verwaltung und Abrechnung mit den Krankenkassen. Sie haben klare Renditeziele und suchen oft mittelfristig den Verkauf.

„Es gibt einen klaren Trend zu Finanzinvestoren in der Zahnarztbranche“, sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Beratungsfirma Roland Berger. Ihr Marktanteil sei bisher aber klein. Die Investoren profitierten davon, dass eigene Praxen für junge Zahnärzte zunehmend als unattraktiv empfunden werden. „Viele scheuen die hohen Investitionen eines Kaufs und das Risiko der Selbstständigkeit, ziehen einen Angestelltenvertrag vor.“

Denn der Kauf einer Praxis kostet Hunderttausende Euro, und das mühsame Abrechnen von Zahnersatz, Spangen oder Vorsorgekontrollen mit den Krankenkassen schreckt viele junge Ärzte ab. Andere, die ihre Praxen verkaufen möchten, finden wiederum kaum Abnehmer. Die Zahl der angestellten Zahnärzte bei den Versorgungszentren sei so allein 2017 um gut 70 Prozent auf 1350 gestiegen, erklärt die KZBV.

Eine große Zahnarzt-Kette ist „Zahneins“ mit Sitz in Hamburg und 19 Standorten bundesweit. 2017 stieg dort der US-Fonds Summit Partners ein. Geschäftsführer Daniel Wichels hält private Investoren in der Branche für unerlässlich. „Anders lässt sich das Nachfolgeproblem der niedergelassenen Zahnärzte auf dem Land nicht lösen“, sagt Wichels.

Die KZBV sieht ein grundsätzliches medizinisches Problem. Sie wirft privaten Anbietern die Konzentration auf renditestarke Bereiche wie Zahnersatz vor. Die Zahnärzte-Vereinigung würde Investoren gern verboten sehen. Davon ist in einem aktuellen Gesetzesentwurf im Bundesrat aber keine Rede.

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