Mangelware Zivis - der Kampf um die jungen Männer

Köln. Die Zahl der Zivildienstleistenden steigt wieder an, dennoch bleibt jede zweite Zivistelle in Deutschland unbesetzt. 2001 hat jede soziale Einrichtung noch so viele Zivis bekommen, wie sie Plätze angeboten hat. Heute können gut 80 000 Plätze nicht besetzt werden

Köln. Die Zahl der Zivildienstleistenden steigt wieder an, dennoch bleibt jede zweite Zivistelle in Deutschland unbesetzt. 2001 hat jede soziale Einrichtung noch so viele Zivis bekommen, wie sie Plätze angeboten hat. Heute können gut 80 000 Plätze nicht besetzt werden. Die Ursachen dafür sind vielfältig: hohe Zahlen bei der Ausmusterung, geburtenschwache Jahrgänge und die Verkürzung der Einsatzzeit auf neun Monate. Erst seit dem letzten Jahr gehen die Zahlen wieder etwas nach oben. Das Überangebot an Stellen bleibt aber.

Für die Zivis sei dies eine durchweg positive Entwicklung und äußerst ansprechend, sagt der Bundesbeauftragte für den Zivildienst, Jens Kreuter. "So hat jeder die Auswahl und kann sich die Stelle aussuchen, die er auch wirklich will." Die Entwicklung führe zu mehr Wettbewerb zwischen den Einrichtungen. "Sie müssen einfach attraktiver werden und den jungen Männern etwas bieten."

Der Caritas-Verband kann von seinen 2700 Zivi-Stellen jährlich inzwischen nur noch etwas weniger als die Hälfte besetzen. "Inzwischen haben wir uns darauf eingestellt, aber wir machen uns echte Sorgen, denn wenn weniger Leute in den Zivildienst gehen, werden auch weniger junge Männer einen sozialen Beruf wählen", sagt Alfred Hövestedt, Pressesprecher der katholischen Hilfsorganisation in Köln.

Der Großteil der Caritas-Zivis gehe nach dem Dienst auch beruflich in die soziale Richtung. "Man muss Erfahrungen in sozialen Berufen machen, die Vorurteile sind einfach zu groß", sagt Hövestedt. Aufgrund des Zivi-Rückgangs muss die Caritas jetzt offensiver um Nachwuchs werben: "Wir gehen jetzt verstärkt an Schulen und arbeiten mit dem freiwilligen sozialen Jahr zusammen." Ein Schritt, der vor ein paar Jahren noch unnötig war.

Hinzu kommt ein weiteres Problem, das den sozialen Einrichtungen gerade jetzt wieder zu schaffen macht: Die meisten Zivildienstleistenden beginnen ihre Arbeit im August oder September, neun Monate später werden sie wieder aus ihrem Dienst entlassen. Dadurch haben die meisten Einrichtungen jedes Jahr ab April einen Zivi-Notstand. Es fallen für ein paar Monate Arbeitskräfte weg, die fest eingeplant sind - auch wenn die Arbeit eines Zivildienstleistenden formal keinen Arbeitsplatz ersetzen darf. Die Wohlfahrtsverbände versuchen, die Engpässe zum Beispiel mit Praktikanten oder Ein-Euro-Kräften zu überbrücken. Das kann teilweise teuer werden. Zivis sind günstige Arbeitnehmer, denn der Großteil ihres Soldes wird vom Bund übernommen.

Die Caritas in Köln versucht, dieses Problem durch die Zivis selbst auszugleichen. "Wir bieten jedem eine Verlängerung seiner Arbeitszeit um drei Monate an, um unsere Leistungen aufrecht zu erhalten." Rechtlich gesehen ist der Zivi dann allerdings Praktikant. Ein Modell, das bei der Caritas in Köln gut funktioniert. Zivi-Beauftragter Jens Kreuter würde dieses Verfahren gerne bundesweit durchsetzen. Allerdings in Form einer tatsächlichen Zivildienstverlängerung inklusive Sozialversicherung. So könne man den Zivildienst attraktiver machen.

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