Telefonate im Stundentakt

Berlin/Washington/Moskau · Mit einem Telefonmarathon setzt Donald Trump seine Berserker-Politik der ersten Woche im Amt fort. Während Russlands Präsident sich die Hände reibt, bietet die Kanzlerin dem neuen starken Mann im Weißen Haus die Stirn.

Fünf Telefonate in acht Stunden führt US-Präsident Donald Trump am Samstag aus dem Oval Office des Weißen Hauses. Am anderen Ende der Leitung: die Staats- und Regierungschefs von Japan, Deutschland, Russland, Frankreich und Australien. Zwei der Gespräche macht Trumps Sprecher Sean Spicer per Twitter öffentlich - wohl nicht ganz zufällig die mit Kanzlerin Angela Merkel und Kreml-Chef Wladimir Putin. Während Moskau sich über das Trump-Putin-Telefonat begeistert äußert und Washington zumindest zufrieden, knirscht es im deutsch-amerikanischen Kennenlern-Dialog.

Berlin: Dabei liest sich die erste Auswertung des 45-minütigen Gesprächs von Trump mit der von ihm angeblich geschätzten, aber öffentlich massiv gescholtenen Kanzlerin recht positiv. Es dauert zwar bemerkenswerte viereinhalb Stunden, bis beide Seiten am späten Samstagabend eine "gemeinsame Presseerklärung" herausgeben. Darin aber betonen Trump und Merkel Gemeinsam- und Freundlichkeiten: die "fundamentale Bedeutung" der Nato für transatlantische Beziehungen, Frieden und Stabilität, den Ausbau der "ohnehin schon ausgezeichneten bilateralen Beziehungen", die intensive Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus. Außerdem will man sich schon bald treffen.

Definitiv gegensätzlich sind aber die Positionen zu einem Thema, mit dem Trump weltweit Kritik ausgelöst hat. Seinen Einreisestopp für Flüchtlinge und Bürger muslimisch geprägter Staaten hält Merkel für falsch.

Washington: In seiner ersten Woche im Amt hat der 70-jährige Trump den freihändigen Kurs des erratischen Nicht-Politikers fortgesetzt. Einen Außenminister gibt es noch nicht, Rex Tillerson harrt der Bestätigung des Senats. Also sitzt Trump im Führerhaus der Außenpolitik. Allein. Auch hier sollen seine Regeln gelten, nicht die der USA. Der oberste Sicherheitsberater Michael Flynn kennt sich militärisch und geheimdienstlich mit dem Nahen Osten aus und mit Afghanistan - nicht aber mit Europa und Russland. Da sind Trumps Telefonate mit Putin und Merkel, denen Flynn beiwohnt, vielleicht hilfreich. Ein eisgekühltes Glas Cola vor sich, spricht Trump sodann mit Putin. Die knappe Wiedergabe des Weißen Hauses liest sich etwas weniger euphorisch als die des Kremls, die einstündige Unterredung wird aber als bedeutender Neustart der Beziehungen gewertet. Diese bedürften der Reparatur, und man wolle mehr Frieden in der Welt.

Moskau: In Russland wird der gemeinsame Anti-Terror-Kampf schon als beschlossene Sache bewertet. "Wenn das so kommt, dann sind die Tage des IS buchstäblich gezählt", jubelt der Außenpolitiker Franz Klinzewitsch. Für Putin war es immer ein Hauptziel im Syrien-Krieg, die USA zu einer militärischen Abstimmung zu zwingen. In der Begeisterung geht etwas unter, dass es auch zwischen dem Kreml und dem Weißem Haus fast zwei Stunden dauert, bis die Erklärungen zu dem Gespräch abgestimmt sind. Russlands Führung hat wohl noch nie so viele Hoffnungen auf einen neuen US-Präsidenten gesetzt wie auf Trump. Unter dessen Vorgänger Barack Obama waren die Beziehungen zuletzt so schlecht gewesen wie seit Jahrzehnten nicht mehr, wobei die Russen die Schuld daran bei Obama sehen.

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