Bildung und Hartz IV Schüler hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen Computer gegen das Jobcenter

Mannheim · Ohne Computer läuft für viele Schüler in Corona-Zeiten nichts. Aber was ist mit denen, die nicht genug Geld für ein solches Gerät haben? Antwort der Justiz: Sie haben unter Umständen einen Anspruch auf Übernahme der Kosten gegen das Jobcenter.

 Ein Schüler arbeitet im Klassenzimmer mit einem Tablet. Symbolfoto.

Ein Schüler arbeitet im Klassenzimmer mit einem Tablet. Symbolfoto.

Foto: dpa/Carmen Jaspersen

Nicht erst seit Corona läuft Schule oft via Internet vom heimischen Computer aus. Das kostet die Schüler und ihre Eltern Geld. Und es besteht die Gefahr, dass diejenigen auf der Strecke bleiben, die sich die notwendigen Geräte nicht leisten können. Diesen Menschen muss der Staat nach einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Mannheim helfen. Das Gericht hat entschieden, dass ein Oberstufen-Schüler und Empfänger von Grundsicherung gegen das Jobcenter einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Computers oder Laptops als Mehrbedarf hat. Es geht um bis zu 300 Euro.

Der betroffene Kläger wurde laut Rechtsportal Juris 2003 geboren und besucht die 11. Klasse eines Gymnasiums. Er lebt in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner alleinerziehenden Mutter. Beide beziehen Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Im Dezember 2018 stellte der Schüler einen Antrag auf Kostenübernahme für einen Personalcomputer (PC) zur Bearbeitung von Schularbeiten. Seine Schule erwarte, dass er mit einem PC arbeite. Seine Mutter und er hätten keinen eigenen Computer. Bislang, seit zweieinhalb Jahren, habe seine Mutter ein Laptop einer Freundin ausgeliehen. Diese brauche es aber nun für ihren zwischenzeitlich acht Jahre alten Sohn zurück. Deshalb könne er nun keinen Computer mehr nutzen, so der Oberstufen-Schüler.

Das Jobcenter lehnte seinen Antrag auf Kostenübernahme für einen Computer jedoch ab. Begründung: Der PC müsse aus dem mit dem Erwerbseinkommen der Mutter verbundenen Freibetrag angespart werden. Hierbei käme auch ein gebrauchter Computer in Betracht. Das Sozialgericht Mannheim sah den Fall anders. Es hat den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Mehrbedarf in Höhe von maximal 300 Euro zum Erwerb eines Computers oder Laptops zu gewähren.

Nach Auffassung des Sozialgerichts steht dem Kläger ein Anspruch auf Leistungen für die Anschaffung zur Erfüllung der schulischen Anforderungen nach Paragraf 21 Absatz 6 SGB II analog zu. Ein direkter Anspruch aus dieser Norm scheitere zwar daran, dass es sich bei den Kosten nicht um einen laufenden Bedarf handele. Die Ausstattung eines Schülers der gymnasialen Oberstufe mit einem solchen elektronischen Gerät gehöre bei Leistungsempfängern nach dem SGB (Sozialgesetzbuch) jedoch zu dem von staatlicher Seite zu gewährenden Existenzminimum. Insoweit bestehe im Normengefüge des SGB II eine planwidrige Regelungslücke, deren Schließung eine analoge Anwendung der genannten Vorschrift notwendig mache.

Die Richter weiter zu der vorhandenen Regelungslücke im Sozialgesetzbuch: Aus keiner der Anspruchsgrundlagen des SGB II ergebe sich ein direkter Anspruch des Klägers auf Gewährung der Kosten für einen PC. Diese seien nicht hinreichend vom Regelbedarf umfasst und könnten nicht durch Ansparungen aus diesem bestritten werden. Die Kosten würden auch nicht durch die so genannte "Schulbedarfspauschale" nach Paragraf 28 Absatz 3 SGB II gedeckt. Ausweislich der Gesetzesbegründung diene diese Pauschale (bislang 70 Euro zum 1. August und 30 Euro zum 1. Februar eines jeden Jahres; nun 100 Euro und 30 Euro seit 01. August 2019) insbesondere dem Erwerb von Gegenständen zur persönlichen Ausstattung für die Schule (wie Schulranzen, Turnzeug, Turnbeutel) sowie für Schreib-, Rechen- und Zeichenmaterial (wie Füller, Stifte, Hefte, Papier, Zirkel, Taschenrechner, Geodreieck). Zur Anschaffung eines Computers diene diese Pauschale nicht. So weit das Sozialgericht. Die Entscheidung ist rechtskräftig (Az.: 3 AS 2672/19, juris).

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