Tragischer Unfall: Bahnfahrer steigt aus Zugfenster und verliert ein Bein – Wer zahlt?

Nürnberg · Wenn ein betrunkener Fahrgast durch ein Abteilfenster aus einem Zug aussteigt, muss die Bahn bei einem Unfall nicht haften. Das hat das Oberlandesgericht Nürnberg entschieden.

Nürnberg. Ein betrunkener Bahnfahrer, der bei einem Unfall auf den Gleisen ein Bein verloren hat, bekommt keinen Schadensersatz. Das hat das Oberlandesgericht Nürnberg in einem von Beck online veröffentlichen Fall entschieden. Die Haftung des Bahnbetreibers sei unter anderem wegen des groben Eigenverschuldens des Fahrgasts ausgeschlossen (Az.: 14 U 852/10, BeckRS 2012, 00242).

Der betroffene Mann war mit einer Regionalbahn in Richtung Ansbach gefahren. Er war stark alkoholisiert. Als der Zug anhielt, wollte er auf der falschen Seite aussteigen. Da dies aus technischen Gründen nicht möglich war, brachte der Zugbegleiter ihn von seinem Vorhaben ab. Der Mann setzte sich daraufhin zunächst wieder hin. Etwa zwei Minuten nach dem Verlassen des Bahnhofs wurde der Zugbegleiter durch einen anderen Fahrgast aufmerksam gemacht, dass der Betrunkene aus dem Fenster eines Wagens hinausgeklettert sei. Der Zugbegleiter verständigte die Landespolizei und schilderte den Vorfall. Weitere Maßnahmen ergriff er nicht. Der Kläger war beim Hinausklettern aus dem Zug gestürzt. Er erlitt schwere Verletzungen. Ihm wurde ein Bein abgefahren. Es konnte nicht mehr geklärt werden, ob diese Verletzung durch den Regionalzug oder durch einen nachfolgenden Güterzug verursacht wurde.

Der Verletzte verklagte daraufhin die Bahn. Er meint, der Zugbegleiter hätte ihn wegen seiner Alkoholisierung am Aussteigen hindern müssen. Für seine Verletzungen, insbesondere den Verlust des rechten Beines ab dem Oberschenkel, forderte er ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro, eine monatliche Schmerzensgeldrente von 200 Euro sowie Schadenersatz, der im Wesentlichen aus der Umrüstung seines Autos für eine Benutzung mit einem Bein bestand.
Das Landgericht Ansbach wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht bestätigte diese Entscheidung. Begründung: Die Bahnbetreiberin hafte weder vertraglich, deliktisch noch unter dem Aspekt der Gefährdungshaftung auf Schadenersatz. Den Zugbegleiter treffe kein Verschulden daran, dass der Kläger durch das Zugfenster ausgestiegen sei. Denn er habe nicht damit rechnen müssen, dass der Kläger den Zug durch das Fenster verlassen würde, nachdem er sich nach dem untauglichen Ausstiegsversuch auf der falschen Zugseite wieder im Abteil hingesetzt hatte. Insbesondere aufgrund der alkoholbedingten Beeinträchtigung des Klägers habe der Zugbegleiter nicht mit einem derartigen Verhalten rechnen müssen. Der Unfall sei vielmehr eine Folge von grobem Eigenverschulden des Klägers. Er habe den Zug verbotenerweise während des Anfahrens durch das Abteilfenster verlassen. Dieses grobe Eigenverschulden schließe eine Haftung der Deutschen Bahn aus. red/wi

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