Ein Ort, an dem keiner abgestempelt wird

Neunkirchen · Nicht jeder war im Vorfeld überzeugt, dass Neunkirchen ein Sozialkaufhaus braucht. Umso schöner ist es geworden. Davon überzeugte sich eine illustre Schar Gratulanten bei der offiziellen Einweihung des Neunkircher Kaufhauses im alten Schlachthof.

 Was kommt in die Regale? Mitarbeiterinnen des Neunkircher Kaufhauses begutachten Kleidungsstücke und Wäsche. Foto: Thomas Seeber

Was kommt in die Regale? Mitarbeiterinnen des Neunkircher Kaufhauses begutachten Kleidungsstücke und Wäsche. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Es hat alles etwas länger gedauert mit einem Sozialkaufhaus für Neunkirchen. Eröffnen wollte man bereits vor einem Jahr. Und steinig war der Weg, gelinde gesagt, auch. Gestern war es nun so weit. Wo noch vor einigen Jahren große Mengen Gummi lagerten - manch Anwesender hatte den Geruch regelrecht noch in der Nase - werden nun auf 1500 sanierten Quadratmetern Möbel, Elektrogeräte, Textilien, Bücher, Spielzeug und Geschirr an Menschen mit geringem Einkommen verkauft.

Die Räume selbst sind hell und freundlich. Beim Durchgehen fallen zum einen die Qualität der Waren und zum anderen etliche angeklebte "Verkauft"-Schilder an Schränken, Betten & Co. auf. "Seit dem 1. April hatten wird schon 355 Kunden hier", freut sich Wolfgang Biehl, Geschäftsführer des Diakonischen Werk an der Saar. Dieses betreibt bereits in Saarlouis, Sulzbach und Völklingen Sozialkaufhäuser. In Neunkirchen habe man bei der Namensgebung bewusst auf das diskriminierende "Sozial" verzichtet, so Biehl. "Würde" und "Respekt", diese Worte fielen immer wieder. In Würde arbeiten, in Würde einkaufen - für viele von Armut betroffene Menschen keineswegs selbstverständlich. Und weil Armut oft auch mit Vereinsamung einhergeht, gibt es ein "Café", wo man fair gehandelten Kaffee genießen und ins Gespräch kommen kann.

Sorge bereitet noch die langfristige Finanzierung. Im Kaufhaus und den angeschlossenen Projekten, einem Zulieferungsprojekt und einer Aktivierungsmaßnahme für Jugendliche, finden 65 langzeitarbeitslose Menschen Beschäftigung und Qualifizierung. Etliche werden über das Programm Bürgerarbeit finanziert. Doch das läuft Ende des Jahres aus. Katja Sauerbrey, Geschäftsführerin des Jobcenters im Kreis Neunkirchen, sicherte zu: "Wir werden eine Möglichkeit finden, das Projekt 2015 weiterzuführen. Dafür ist es uns zu wichtig." Sie hofft sogar, "noch ein paar mehr Plätze zu schaffen." Schließlich handele es sich "nicht um Beschäftigungstherapie, sondern um sinnstiftende Arbeit".

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Recycling-Gedanke: "Ich halte es generell für problematisch, gute Dinge wegzuwerfen", sprach Landrätin Cornelia Hoffmann-Bethscheider vielen aus dem Herzen. Die bessere, nachhaltigere Lösung sei zu "reparieren, restaurieren, aufzupolieren". Blieben dadurch hochwertige Gebrauchsgüter im Wertstoff-Kreislauf, sei das gelebter Umweltschutz.

Dass neben gut erhaltener Secondhandware aus Privatspenden auch Neuware angeboten werden kann, ist Firmen wie Ikea zu verdanken: "Die stellen uns Möbelrückgaben zur Verfügung." Diese würden allerdings, genau wie Elektrogeräte, ausschließlich an Menschen abgegeben, die ihre Bedürftigkeit anhand entsprechender Bescheide nachweisen können. Das komplette andere Sortiment ist, zu höheren Preisen als für die Haupt-Zielgruppe, frei verkäuflich. Das diene dazu, die Einrichtung zu finanzieren, betonte Biehl. Bürgermeister Jörg Aumann (SPD) freute sich nicht zuletzt, dass mit dem Schlachthofgebäude ein für die Neunkircher nicht unwichtiger Standort wiederbelebt wird.

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Auf einen BlickFinanziert wird das Neunkircher Kaufhaus durch Mittel des Jobcenters, des Landkreises und der Stadt Neunkirchen, des Bundes und des Europäischen Sozialfonds sowie der Evangelischen Kirche. Die Öffnungszeiten: Montag und Dienstag 9 bis 16 Uhr, Donnerstag 9 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag 9 bis 13 Uhr. Sachspenden können während der Öffnungszeiten beim Verkaufspersonal abgegeben werden. Sperrige Waren oder größere Mengen werden gern bei den Spendern abgeholt: Kontakt unter Telefonnummer (0 68 21) 17 71 16. nig

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