1968 war seine „heiße Zeit“

Saarbrücken · 40 Jahre auf der Bühne – und sogar ein bisschen mehr. Der Liedermacher Sigi Becker wird des Protestierens nicht müde und bleibt sich dabei immer treu.

 Sigi Becker ist regelmäßig im Theater im Viertel zu Gast. Foto: Kerstin Krämer

Sigi Becker ist regelmäßig im Theater im Viertel zu Gast. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Die katholische Kirche hat ihn gefeuert: "Entweder du bist Messdiener, oder Du gehst demonstrieren!", wetterte 1967 der Pastor von St. Eligius in Burbach. Sigi Becker entschied sich fürs Protestieren. Ein politisch wie gesellschaftlich Engagierter ist der 1952 geborene Sänger und Autor von Liedern und Gedichten geblieben, trotz seiner Ader fürs Poetische. Obwohl passionierter Schulverweigerer, saß er 1968 als Redakteur der Schülerzeitung bei Wolf Biermann in Ostberlin auf dem Sofa - die Adresse hatte er von Franz-Josef Degenhardt, der damals in Saarbrücken lebte und arbeitete.

Biermann und Degenhardt sind Beckers geistige Ziehväter, und auch Brecht, dessen Hauspostille er ein musikalisch-literarisches Denkmal setzte, ist ihm bis heute ein treuer Begleiter. "Es war eine heiße Zeit damals", erinnert sich Becker. Er organisierte Teach-ins auf dem Pausenhof, nahm an der "Rote-Punkt-Aktion" teil, um eine kostenlose Beförderung für jedermann im öffentlichen Personennahverkehr zu erwirken, und war Mitbegründer des Sozialistischen Schülerbunds, der im Republikanischen Club tagte und es zu seinen besten Zeiten immerhin auf acht Mitglieder brachte. "Ich hatte damals Schwierigkeiten, zwischen sozial und sozialistisch zu unterscheiden", sagt Becker lachend.

Hauptberuflich steht er seit 25 Jahren als Sozialpädagoge in Diensten der Caritas . Natürlich ist er langjähriger aktiver Gewerkschaftler und außerdem Attac-Mitglied. Und Anti-Atomkraftdemonstrationen sind ihm heute noch Pflicht. Nur sein SPD-Parteibuch hat er schon lange zurückgegeben, aus Empörung über Helmut Schmidt und den Nato-Doppelbeschluss. Eine bessere Welt ist möglich: Wenn Becker aktuell auf die Barrikaden geht, dann singt er an gegen Missstände in Wirtschaft, Gesundheitswesen und Medien.

Seine ersten Versuche, selbst Lieder zu schreiben, datieren ebenfalls ins denkwürdige Jahr 1968 . Das Klampfen eignete er sich autodidaktisch und bei Lagerfeuern der Sozialistischen Jugend an und absolvierte ab Mitte der 70er Jahre erste Auftritte mit eigenen politischen Liedern. Was der Penne nicht gelungen war, Brassens und Villon schafften es: Beckers Ader fürs Frankophone zu wecken, dokumentiert etwa auf der 1998 veröffentlichten CD "Unkraut". Nach der MC "13 Lieder" und einer längeren Auftrittspause konzertierte der Barde erst wieder ab 1993 - beispielsweise als Mitwirkender einer Brassens-Hommage im Theater im Viertel (TiV), wo er seit zwei Jahren als Gastgeber einer Liedermacher-Reihe Gäste wie "Klaus den Geiger" empfängt, oder im Duo-Programm "Objets trouvés" mit der Sängerin Ruth Boguslawski präsentiert.

Meist jedoch war und ist Becker als Einzelkämpfer unterwegs und widmet sich mit Song- und Textcollagen Brecht, Brassens, Hesse, Rilke, Erich Mühsam , Frank Wedekind - und Eigenem. So variierte er auf der CD "Nomaden" (2000) das Thema des Unterwegsseins und brachte 2007 mit dem Buch "S'gibt Träume" eigene Texte aus 30 Jahren heraus, um dann wiederum in seinem jüngsten Solo-Programm "Amour Anarchie" Revoluzzern von Michail Bakunin bis Rio Reiser zu huldigen.

Just feierte Sigi Becker "gefühltes" 40-jähriges Bühnenjubiläum im TiV, wo ihm eine ehemalige Lehrerin vorrechnete, dass sein Gefühl ihn um zwei Jahre getrogen hatte: Tatsächlich trat er schon 1972 bei einer Veranstaltung im Wirtschaftswissenschaftlichen Gymnasium auf - zusammen mit seiner damaligen Klassenkameradin Ingrid Peters .

Wer das Jubiläumsprogramm "In eigener Sache" mit Lieblingsliedern, -texten und Geschichten aus 40 Jahren verpasst hat: Sigi macht's nochmal - am 31. Januar im Kaffeehaus Ommersheim.

www.sigi-becker.de

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