Ein schräges Stück übers Sterben

Saarbrücken · Fünf Künstler, vier Wochen, eine Hauptperson: Was Theatermacher in „Ibsen: Gespenster“ erzählen und wie sie das tun, geht an Grenzen. Und mitunter keimt die Frage auf, ob diese Grenzen nicht doch überschritten sind.

 Die Darsteller betrachten das Video eines selbst gewählten Todes. Foto: Robin Junicke

Die Darsteller betrachten das Video eines selbst gewählten Todes. Foto: Robin Junicke

Foto: Robin Junicke

",Darf-man-das?' ist meine Lieblingsfrage", sagt Lara-Joy Hamann vom Theaterkollektiv Markus & Markus und klingt, als wäre sie glatt enttäuscht, würde man die Frage nicht stellen. Die Hildesheimer Truppe bringt mit "Ibsen: Gespenster" einen realen Fall von Sterbehilfe auf die Bühne. In Videoaufnahmen lernt der Zuschauer Margot kennen, eine 81-Jährige, die wegen ihrer chronischen Schmerzen nicht mehr leben will. Die fünf Kollektiv-Mitglieder begleiteten die alte Dame vier Wochen mit der Kamera. Kurz vor Ende des Stücks sieht man sie im Video tot auf einer Liege in der Schweiz. Den Infusionsschlauch an ihrem Arm hat sie gewollt und selbst reguliert. Auf der Bühne geht es zwischen den Videosequenzen recht lustig zu. Markus (Schäfer) und Markus (Wenzel), die beiden Protagonisten und Namensgeber des Kollektivs, stolpern beim Tischdecken über ein imaginäres Fell wie in "Dinner for One", spielen Gespenster, übergeben sich schon mal und "wurschteln" herum, wie Hamann es nennt.

In der Truppe, in der alle fünf gemeinsam für Konzept, Regie und Textschreiben zuständig sind, ist "radikale Perfektionslosigkeit" eine bewusst gewählte ästhetische Strategie. "Es interessiert uns, mit diesem Dilettantismus zu spielen und dann eben an anderen Stellen Dinge krass gut zu machen", sagt Hamann. Wenn Markus Nummer eins sich übergebe, sei das perfekt getimt. Diese Gegensätzlichkeiten, auch der Humor, seien notwendig, ist die Theaterfrau überzeugt.

Ein Stück übers Sterben, bei dem die beiden Protagonisten nur total betroffen und ernst auf der Bühne stünden, wäre ja sterbenslangweilig und würde im Zuschauer nichts auslösen. Mit dem Thema Sterben, besonders mit Margot, wie man ja auch im Video sehen könne, seien sie natürlich sehr vorsichtig umgegangen. "Alle nennen es würdevoll, trotzdem stören sich viele an dem Herumgezappel", sagt Hamann und fügt gleich hinzu: "Dass man dann diese Frage: ,Darf man das?' stellt, finde ich wunderschön."

Warum darf man im Theater zeigen, wie Menschen so tun, als ob sie durch fremde oder eigene Hand sterben? Und warum ist das Zeigen eines realen, selbst gewählten Todes - hier: im Video - hingegen der Bruch eines Tabus?

Darüber wollen Markus & Markus zum Nachdenken anregen. Ihre Mischung von Dokumentartheater und Performance gilt manchen als typisch für Hildesheim, wo vier der fünf Kollektivmitglieder szenische Künste studierten. Schon mit ihrem ersten Stück haben Markus & Markus, damals noch zu zweit, Wellen geschlagen. Darin behaupteten sie, den Hildesheimer Unipräsidenten und den Selfmade-Millionär Carsten Maschmeyer angezeigt zu haben. Wegen eines angeblichen Tauschhandels: Ehrendoktor gegen Geldspende. "Die Anzeige gab es natürlich gar nicht; aber ein Journalist hat das dann 1:1 im Politikteil geschrieben", sagt Hamann. Danach konnte sich das Männer-Duo vor Aufträgen nicht retten und erweiterte sich mit Hamann, Manuela Pirozzi und Katarina Eckold zum Kollektiv.

Markus & Markus Ibsen: Gespenster Alte Feuerwache, 19. Mai 21 Uhr 20. Mai 19.30 Uhr

festival-perspectives.de

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