St. Johanner Kaltenbachstraße ist schon seit 2013 eine Dauerbaustelle

Saarbrücken · Für die Freiluftsaison 2015 am St. Johanner Markt war die anliegende Kaltenbachstraße in alter Schönheit eingeplant. Es steht aber immer noch nicht fest, wie sie aussehen soll. Der Flickenteppich bleibt vorerst erhalten.

 Die Baustellen-Optik der Kaltenbachstraße bleibt noch lange. Foto: Becker & Bredel

Die Baustellen-Optik der Kaltenbachstraße bleibt noch lange. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Das Erscheinungsbild der 65 Meter langen Kaltenbachstraße am St. Johanner Markt in Saarbrücken passt nicht zum Anspruch des Marktes, "gute Stube", "Schmuckstück" oder sogar "Herz" Saarbrückens zu sein, wie Bezirksbürgermeisterin Christa Piper (SPD ) kürzlich schwärmte. An diesem - um im Bild zu bleiben - städtebaulichen Zentralorgan wird bereits seit Spätsommer 2013 unentwegt gedoktert und operiert.
Streit über Barrierefreiheit

Was zunächst wie ein überschaubarer schönheitschirurgischer Eingriff aussah, entwickelte sich zur Totaloperation mit nicht richtig vernähten Wunden. Überall in der Kaltenbachstraße liegen provisorische Asphalt-Flicken, die von einzelnen OPs künden. Vor Hauseingängen zeugen Schotterfelder von kürzlich verlegten Anschlüssen. Die Arbeiter hätten im Januar die Verfüllung mit Asphalt zugesagt, damals sei aber angeblich "der Teer alle" gewesen, beklagt ein Geschäftsinhaber Tatenlosigkeit und fehlende Kommunikation.

Rückblick: Im September 2013 hatte die Stadtverwaltung angekündigt, das seinerzeit lose gefahrene Kopfsteinpflaster zu entnehmen, Leitungen (Stadtwerke und Entsorgungsverband) neu zu verlegen und danach das eingelagerte Pflaster wieder im alten Muster einzusetzen. Im Frühjahr 2015, also jetzt, solle die Straße wieder in alter Schönheit nutzbar sein, hieß es damals.

Am Donnerstag teilte nun Reinhold Schmidt vom Baudezernat der Landeshauptstadt im Bezirksrat Mitte zur allgemeinen Überraschung mit, dass die Kaltenbachstraße nicht nur jetzt nicht, sondern vermutlich auch 2016 nicht fertig werde. Sie sei ja "regelrecht umgepflügt worden", so dass nun nicht mehr von einer Instandsetzung, sondern von einem "kompletten Neubau" gesprochen werden könne.

Das würde also auf eine Verzögerung von fast zwei Jahren hinauslaufen. Begründet wurde sie bisher in Sitzungen von Bezirksrat und Bauausschuss mit einer noch nicht abschließend erfolgten Planung, in der die Belange von historischer Korrektheit, künstlerischem Gehalt, Barrierefreiheit und Nutzbarkeit für Gastronomie, Handel und Verkehr unter einen Hut zu bringen sind.

Die von Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer im Januar öffentlich angekündigte Sondersitzung des Bauausschusses, in der Vertreter aller Interessen zu Wort kommen sollten, um einen raschen Kompromiss zu erzielen, wurde bis heute nicht anberaumt.

Behindertenvertreter berichten, dass ihnen aus Verwaltung und Politik die Verzögerung quasi in die Schuhe geschoben werden solle.

Man werfe den Experten für barrierefreies Bauen vor, dass sie Nutzbarkeit forderten, die dem historischen Charakter widerspreche.

Dem hält Sprecherin Dunja Fuhrmann entgegen, dass man sehr wohl praktikable und günstige Vorschläge zur Barrierefreiheit mache, die von den Planern unverständlicherweise nicht aufgegriffen würden. Ein Vertreter des Sehbehindertenverbandes schilderte unserer Zeitung, dass von einer Führungskraft im Rathaus der Vorschlag für eine Leitrinne mit dem Argument abgelehnt worden sei, diese sei ja "zu sehen" - wobei es ja gerade Aufgabe der Rinne sei, von Sehbehinderten wahrgenommen zu werden.

Nicht unstrittig ist die Frage, inwieweit es sich bei dem 1974 gelegten Pflaster um ein Kunstwerk handelt und wie schützenswert es in dem denkmalgeschützten Ensemble St. Johanner Markt zu betrachten ist. Unserer Zeitung liegt eine Stellungnahme aus dem Denkmalamt vor, wonach der früher verlegte, aufgehobene Belag nicht unbedingt wieder verwendet werden muss. Sondern lediglich einer, der mit dem Ensemble "verträglich" ist und deshalb auch barrierfrei sein kann. Auf den Punkt gebracht heißt das: Hier lag nie Kunst im Sinne des Denkmalschutzes, also muss auch keine teuer wieder eingebaut werden. Wenn diese Einschätzung zutrifft, würde auch die gern vorgetragene Geschichte entzaubert, bei Draufsicht aus der Luft könne man im Pflaster der Kaltenbachstraße ein Kunstwerk erkennen.
Diskussion am Dienstag

Für kommenden Dienstag hat die Linke im Stadtrat zu einer öffentlichen Diskussion ins Rathaus eingeladen. Thema um 18 Uhr im Rathaus: "St. Johanner Markt - Saarbrückens Wohnzimmer". Unter anderem diskutieren Prof. Paul Schneider, auf den die Pflasterung des Marktes zurückgeht, Monika Kunz vom Stadtplanungsamt, Prof. Josef Baulig vom Landesdenkmalamt und Dietmar Kolling vom Saarbrücker Bürgerforum. Bereits um 17 Uhr besteht Gelegenheit zu einer Ortsbesichtigung. Treffpunkt ist am Brunnen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort