Ein steiniger Weg zurück - Eltern starten im Saarland Unterschriften-Aktion gegen das Turbo-Abitur

Saarbrücken · Der Startschuss für die Volksinitiative gegen G 8 ist gefallen. Die Gruppe „G 9-jetzt-Saarland“ hat sechs Monate Zeit, um 5000 Stimmen zu sammeln. Bis zu einem Volksentscheid ist es aber noch ein weiter Weg.

 Zwei mit dem gleichen Ziel: „G 9-jetzt“-Sprecherin Katja Oltmanns und Professor Christian Scholz von der Saar-Uni fordern die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren Gymnasium. Foto: Becker&Bredel

Zwei mit dem gleichen Ziel: „G 9-jetzt“-Sprecherin Katja Oltmanns und Professor Christian Scholz von der Saar-Uni fordern die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren Gymnasium. Foto: Becker&Bredel

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"Es ist keine Rolle rückwärts, sondern eine Entscheidung, etwas verbessern zu wollen", erklärte Katja Oltmanns gestern. Oltmanns ist die Sprecherin der Gruppe "G 9-jetzt-Saarland", die eine Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren Gymnasium fordert. Die Pressekonferenz war der Startschuss einer Volksinitiative für die Abschaffung des 2001 eingeführten Turbo-Abiturs, also der Reifeprüfung nach acht Jahren am Gymnasium. Von nun an bleiben der Elterninitiative sechs Monate Zeit, um 5000 Stimmen von Saarländern über 16 Jahre zu sammeln. Gelingt dies, ist der Landtag aufgefordert, sich mit dem Thema zu befassen. "Er muss es aber nicht", sagt Robert Karge, Vorsitzender des Vereins "Mehr Demokratie" im Saarland.

Dass eine Debatte aber dringend notwendig wäre, darüber waren sich die Teilnehmer der Pressekonferenz in der Saarbrücker Congresshalle einig. "Man muss die Entscheidungen auch immer mit dem jeweiligen Zeitgeist in Zusammenhang bringen. Als G 8 eingeführt wurde, war die Idee, Bildung im Schnellsystem zu vermitteln", sagte Professor Christian Scholz vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes . Unter diesen Zeitgeist fällt für Scholz auch die Umstellung an der Uni-Abschlüsse auf Bachelor und Master. Nach seiner Ansicht sind die erhofften Effekte aber ausgeblieben. Zum Beispiel die der Unternehmen, jüngere, aber genauso qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen. So fehle es den Jugendlichen durch die Verschulung oft an Eigenverantwortung und Reife. "Früher gingen die Kinder spätestens nach der sechsten Stunde nach Hause und mussten sich dann selbst überlegen, wie sie den Tag gestalten. So etwas fällt heute weg", sagte Scholz.

Doch eine Rückkehr zu G 9 ist nicht leicht durchzusetzen, wie Robert Karge erläuterte. Die Politik habe viele Steine in den Weg gelegt. Die Volksinitiative ist der erste Schritt, den die Gruppe gehen will. Die Piraten im Landtag haben laut Oltmanns angeboten, bei der Stimmensammlung zu helfen. Auch die Linksfraktion begrüßte gestern die Volksinitiative. "Diese Initiative macht sichtbar, dass viele Eltern und Schüler nicht zufrieden sind", sagte die Abgeordnete Barbara Spaniol .

Sollte der Landtag trotz der erreichten Stimmenzahl keine neuerliche Debatte über das Thema führen, wäre der zweite Schritt der Antrag zu einem Volksbegehren , für den wieder 5000 Stimmen gesammelt werden müssen. Noch dazu muss allerdings ein begründeter Gesetzesentwurf vorgelegt werden. Das Volksbegehren ist erfolgreich, wenn sieben Prozent der stimmberechtigten Saarländer unterschreiben (etwa 56 000). Folgt der Landtag dem Volksbegehren innerhalb von zwei Monaten nicht, so kommt es zum Volksentscheid über den Gesetzentwurf. Dieser ist beschlossen, wenn er beim Volksentscheid eine Mehrheit erhält - die allerdings mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten entsprechen muss.

Das Beispiel Hessen macht den saarländischen Befürwortern von G 9 Mut. Hier gibt es seit dem aktuellen Schuljahr wieder die Wahl zwischen den beiden Möglichkeiten. "Die Tendenz geht ganz klar zu G 9. Ich schätze, dass mittlerweile 60 Prozent der Schulen wieder das alte System eingeführt haben", sagte Andreas Bartels, Sprecher der "G 9-Wahl" Hessen . Eineinhalb Jahre hat es dort vom Beginn des Protestes bis zum erfolgreichen Abschluss für die Initiative gedauert. Bartels: "Wenn Eltern kämpfen, sollte die Politik das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Man braucht zwar viel Durchhaltevermögen, aber es hat schließlich funktioniert."

g9-jetzt-saarland.de

Meinung:
Argumente ernstnehmen

Von SZ-RedaktionsmitgliedHenning Jochum

Die Diskussion um die Nachteile des Turbo-Abiturs gibt es im Prinzip schon seit der Einführung im Saarland 2001. Doch nun macht die Initiative "G9-jetzt-Saarland" ernst - und die Landespolitik wäre gut beraten, die Argumente der Gruppe ernstzunehmen.

In Hessen hat die dortige Initiative ihre Beharrlichkeit beispielsweise eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Der Druck auf die Regierung wurde schließlich so groß, dass es an Gymnasien nun wieder eine Wahlmöglichkeit für die Schüler zwischen G 8 und G 9 gibt.

Sollte die saarländische Initiative die nötigen 5000 Stimmen zusammenbekommen, muss sich der Landtag mit der Thematik befassen - schließlich leben wir in einer Demokratie. Und hier sollte die Stimme des Volkes - wenngleich zunächst nur ein kleiner Teil - von der Politik nicht ignoriert werden.

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