Das nasse Erbe des Saar-Bergbaus

Saarbrücken · Das Grubenwasser-Konzept des Bergbau-Konzerns RAG erhitzt die Gemüter an der Saar. An drei Stellen hebt sich der unterirdische Wasserspiegel bereits. Anderswo ist es noch lange nicht so weit.

 Am ehemaligen Standort der Grube Reden wird mit Grubenwasser ein Wassergarten betrieben. Das aus 800 Metern Tiefe gehobene, 32 Grad warme Wasser wird in Becken gesammelt, abgekühlt und schließlich in den Klinkenbach abgeleitet. Foto: Becker & Bredel

Am ehemaligen Standort der Grube Reden wird mit Grubenwasser ein Wassergarten betrieben. Das aus 800 Metern Tiefe gehobene, 32 Grad warme Wasser wird in Becken gesammelt, abgekühlt und schließlich in den Klinkenbach abgeleitet. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

In den Tiefen der Erde steigen und fließen Gewässer, die an der Oberfläche derzeit die Gemüter heftig bewegen. Es geht um das Grubenwasser, ein Erbe des Bergbaus an der Saar . Der Bergbau-Konzern RAG hat die Aufgabe, eine Lösung zu finden, damit die aufsteigenden Wassermassen beherrschbar bleiben, keinen Schaden an der Oberfläche verursachen und auch das Trinkwasser nicht gefährden. Die RAG will erreichen, dass die Pumpen , die das Wasser in der Tiefe halten, irgendwann abgestellt werden. Damit könnte das Unternehmen nach Schätzungen ihres Vorstandschefs Bernd Tönjes pro Jahr rund 16 Millionen Euro einsparen.

Wann es so weit ist und ob es überhaupt dazu kommt, ist noch offen. Dazu benötigt die RAG eine Genehmigung der zuständigen Behörden. Für einige Verfahrensschritte ist das Oberbergamt des Saarlandes und für andere das Bergamt Saarbrücken zuständig.

Dessen Beamte haben bereits zwei Sonderbetriebspläne abgesegnet. Bei dem ersten wurde der RAG erlaubt, seit August 2010 im so genannten Nordfeld des Bergwerks Saar (siehe Grafik) die Pumpen abzustellen. Nach Angaben eines RAG-Sprechers stand das Wasser damals in einer Tiefe von 1015 unter Meeresspiegel-Höhe (Normal-Null, NN). Inzwischen ist es auf 625 Meter unter NN geklettert.

Einen Sonderbetriebsplan erteilte das Bergamt Saarbrücken auch für die Felder Dilsburg und Primsmulde - nach RAG-Angaben im Februar 2013. Die Ausgangstiefe lag in der Primsmulde bei minus 1430 Meter, inzwischen sind minus 1113 Meter erreicht. In etwa acht Jahren soll nach den Plänen der RAG das endgültige Niveau in beiden Feldern bei minus 400 Meter liegen.

Die beiden Sonderbetriebspläne wurden zugelassen, weil es für das Bergwerk Saar noch keinen Abschluss-Betriebsplan gibt, obwohl dort die Kohleförderung bereits Mitte 2012 eingestellt wurde. Dieses Verfahren ist durch das Bundesberggesetz gedeckt. Stillgelegt werden kann ein Bergwerk erst, wenn mindestens zwei Jahre lang keine Kohle mehr gefördert wurde, heißt es dort. Außerdem "sollen Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter auch nach Einstellung des Betriebs ausgeschlossen werden".

Als nächstes steht der Rest des Saar-Reviers an. Im März vergangenen Jahres hatte die RAG zunächst einmal ein "Konzept zur langfristigen Optimierung der Grubenwasserhaltung für das Saarland" vorgelegt. Nachdem die Diskussion aufflammte, dass unter Tage verschiedene Stoffe gelagert wurden, musste die RAG ihr Konzept nachbessern, was sie im Juli 2014 tat. Bei den Stoffen handelte es sich nach Angaben des Wirtschaftsministeriums und der RAG um gebundenen Asbestzement, Gießerei-Sande und "Sprühabsorptions-Asche". Diese Asche stammte aus der Rauchgas-Entschwefelung eines Steinkohlekraftwerks. Ferner sei bis Mitte 2012 "in größerem Umfang kohlestämmige Flugasche-Zement-Gemische aus Kraftwerken als anerkannte und zertifizierte Baustoffe unter Tage eingesetzt worden", so Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ).

Ein weiterer Streitpunkt sind die Hydraulik-Öle, die von den Bergleuten im Streb verwendet wurden. Bis in die 1980er Jahre wurden Polychlorierte Biphenyle (PCB) beigemischt, weil sie die Entflammbarkeit des Öls reduzierten. "Als sichere Alternativstoffe zur Verfügung standen, wurde die Verwendung PCB-haltiger Öle eingestellt", heißt es bei der RAG. In den im Sommer 2014 nachgereichten Ergänzungen zu dem RAG-Konzept wird die Gefahr der PCB-Öle für die Grubenwasser-Flutung als gering eingeschätzt. In den Jahren 2009 und 2010 seien die Grubenwasser-Einleitungen in die Saar untersucht worden. "Das Ergebnis war, dass weniger als ein Prozent der vorhandenen PCB-Belastung in der Saar dem Bergbau zuzurechnen war", heißt es in dem Papier.

Wie geht es jetzt weiter? Im Dezember hatte die Landesregierung ihre Stellungnahme zum RAG-Konzept abgegeben. Darin fordert sie unter anderem, "dass jede Veränderung an der Grubenwasserhaltung Gefahr für Mensch und Umwelt ausschließen muss". Außerdem müsse der Wasseranstieg jederzeit gestoppt werden können.

Jetzt ist die RAG an der Reihe. Sie wird im März die planerische Mitteilung schicken. Diese ist Voraussetzung, das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zu eröffnen. Die Antragsunterlagen für dieses Verfahren sollen in der ersten Jahreshälfte 2016 eingereicht werden. Parallel dazu führt das Bergamt Saarbrücken das Abschlussbetriebsplan-Verfahren durch, das die Standorte aus dem Bergrecht entlässt.

Diese Verwaltungsprozedur, in die auch alle "Träger öffentlicher Belange" (Kommunen, Behörden oder Verbände) eingebunden werden, gilt nur für den Bereich des früheren Bergwerks Reden, wo das Grubenwasser um rund 280 Meter angehoben werden soll. Das ist die Voraussetzung dafür, dass es im Jahr 2035 am Standort Duhamel (Ensdorf) in die Saar abgeleitet werden kann. Es wird also noch viel Wasser die Saar hinabfließen, bis es sich mit dem Grubenwasser mischt - wenn es überhaupt dazu kommt.

Regierung hält Teilflutung für rechtens


Saarbrücken. Die Landesregierung hält die vom Bergamt genehmigten Teilflutungen im Bergwerk Saar für rechtmäßig. Das teilten Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger und Umweltminister Reinhold Jost (beide SPD) gestern nach einer Kabinettssitzung mit. Die Minister hatten sich mit den Vorwürfen auseinandergesetzt, 2013 Warnungen des Oberbergamtes sowie des Landesamts für Umwelt- und Arbeitsschutz (LUA) nicht beachtet zu haben. Die Bedenken basierten auf falschen Annahmen, die ausgeräumt worden seien. Das angewendete Sonderbetriebsplanverfahren, das keine Beteiligung Dritter vorsieht, sei rechtens, sagte Rehlinger. Eine politische Beeinflussung habe es nicht gegeben. "Niemand in diesem Land will eine Gefährdung des Trinkwassers", sagte sie. Mögliche finanzielle Erwägungen der RAG seien "für uns völlig unerheblich". Gefahr für das Grundwasser bestehe nicht. Dieses reiche höchstens bis zur Tiefe von 150 Meter. Somit bleibe genügend Abstand, wenn die Grube bis zu einer Tiefe von 400 Metern geflutet würden, so Jost. Aus wasserwirtschaftlicher Sicht habe das LUA keine Bedenken geäußert. Seismologische Vermerke, etwa wie sich die Flutung auf Erderschütterungen auswirken könne, seien in Auflagen des Bergamts berücksichtigt worden. In der nächsten Kabinettssitzung soll das LUA-Schreiben erneut Thema sein.

Zentral für die Zulassung weiterer Flutungen ist die Frage unter Tage lagernder Giftstoffe wie PCB oder Ugilac. "Bei allen Stoffen, bei denen die RAG nicht nachweisen kann, dass man sie über Tage gebracht hat, gehen wir vom Worst-Case-Szenario aus und vermuten, dass sie weiter unter Tage sind", sagte Jost. Bisher seien in Gewässern keine PCB-Grenzwerte überschritten worden. Sein Haus werde spätestens ab 2016 vermehrt Proben nehmen, um sich nicht auf die Zahlen der RAG verlassen zu müssen. Für das Saarland soll zudem ein PCB-Kataster erstellt werden, das verzeichnet, wo wie viel der Chemikalie nachzuweisen ist. Auch will Jost eine Studie zu Krebserkrankungen von Bergleuten fortschreiben. Bisher gebe es Daten von 4500 Bergleuten aus den Jahren 1980 bis 2002. ukl

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