Bürgermeister der Saar-Kommunen fordern bei Demonstration 54 Millionen Euro von der Landesregierung

Saarbrücken · Das gab es noch nie: Die Bürgermeister aller Saar-Kommunen bis auf St. Wendel sind gestern gegen die Landesregierung vor den Landtag gezogen. Städtetagspräsident Klaus Lorig (CDU) forderte 54 Millionen.

 Bürgermeister aus fast allen Saar-Kommunen demonstrieren vor dem Landtag. Foto: Becker&Bredel

Bürgermeister aus fast allen Saar-Kommunen demonstrieren vor dem Landtag. Foto: Becker&Bredel

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Die extreme finanzielle Notlage des Saarlandes gebiert bisher unbekannte Protestformationen. Gestern Mittag um fünf nach zwölf sahen sich die Bürgermeister der saarländischen Städte und Gemeinden veranlasst, gegen die Sparpolitik der CDU /SPD-Landesregierung gemeinsam vor den Landtag zu ziehen. Dort fand am Nachmittag eine Sitzung des Haushaltsausschusses statt, in der die Gemeindefinanzen debattiert wurden. Die vom Saarländischen Städte- und Gemeindetag organisierte Demonstrations-Premiere verlief in geordneten Bahnen. Die in dunkle Wintermäntel gewandten Rathaus-Chefinnen und -Chefs marschierten nur etwa 100 Meter von der Saarbrücker Schlossmauer bis vor den Landtag. Bei sich trugen die Protestler Banner mit der Aufschrift "So nicht! Finger weg vom kommunalen Geld!" und dem Bild eines Ziffernblattes, das symbolisch fünf Minuten nach zwölf zeigte. Mit dem kleinen, aber feinen Zug marschierten einige Gewerkschafter mit Verdi-Fahnen.

Nachdem sich die kommunalen Bosse vor dem Landtag aufgebaut hatten, sagte der amtierende Städtetagspräsident und Völklinger CDU-Oberbürgermeister Klaus Lorig : "Das ist heute ein einmaliger Vorgang in diesem Land. Der Not gehorchend haben sich die saarländischen Bürgermeister zu einem drastischen Schritt entschlossen. Wir demonstrieren hier gegen den von der Landesregierung vorgelegten Haushalt 2015." Die Landesregierung plane einen neuerlichen Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich von 54 Millionen Euro , so Lorig. Das sei rücksichtslos und geschehe zur Sanierung des Landeshaushaltes. Zusätzlich zahlten die Kommunen schon bisher 51 Millionen an laufenden Sanierungsbeiträgen jährlich ans Land. "Das grenzt an Raubrittertum", betonte Lorig. Trotz der Tatsache, dass das Land den Kommunen also 105 Millionen Euro vorenthalte, brüste es sich gegenüber dem Berliner Stabilitätsrat, 65 Millionen Euro 2015 einsparen zu wollen. "Da beklagt sich die Landesregierung noch darüber, dass die Kommunen nicht in der Lage seien, ordentlich zu wirtschaften oder zu sparen", so Lorig. Von alledem könne keine Rede sein. Wenn die Kommunen die 105 Millionen, die die CDU /SPD-Koalition ihnen 2015 wegnehmen wolle, behalten könnten, so könnten sie damit ihr Finanzierungsdefizit zu zwei Dritteln ausgleichen. Die Kommunen hätten dann mehr Geld für die Krippen, die Kitas, für die Schulen, für Sport, für Infrastruktur und soziale Angelegenheiten. "Damit könnten wir einen guten Wohn- und Wirtschaftsstandort Saarland und tausende Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft garantieren", erklärte der Völklinger Rathaus-Chef, der selbst wegen seiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender bei dem in eine finanzielle Schieflage geratenen Fischzuchtprojekt in der Kritik steht. Binnen zehn Jahren habe das Land den Kommunen 605 Millionen Euro abverlangt. Lorig forderte eine faire und dauerhafte Finanzierung der Kommunen, die Weitergabe vorenthaltener Bundesmittel, eine Lösung des Schuldenproblems und mehr Zuwendungen für die Flüchtlinge.

Applaus bekamen die Bürgermeister von Vertretern der Linken-, Piraten- und Grüne-Fraktion, von den Großkoalitionären war Landtagsvizepräsidentin Isolde Ries (SPD ) zu sehen.

Städtetags-Geschäftsführerin Barbara Beckmann-Roh verteilte an alle Bürgermeister symbolisch 52 kleine Jute-Säcke mit der Aufschrift "eine Million Euro", Saarbrücken bekam zwei davon. Die Abwesenheit St. Wendels erklärte Illingens Bürgermeister Armin König (CDU ) so: "Die haben ja keinen Bürgermeister." Ex-Bürgermeister Klaus Bouillon (CDU ), Innenminister, konnte die Demo im Ministerbüro 300 Meter entfernt vielleicht mitfühlen.

Meinung:
Sinnlose Verteilungskämpfe

Von SZ-RedakteurDietmar Klostermann

Huch, mag mancher Bürger sich die Augen reiben, da demonstrieren ja unsere braven Rathauschefs. Und auf den ersten Blick können die auch auf Rückhalt für ihre Geldforderungen hoffen, geht es doch darum, marode Schulen zu reparieren und löchrige Straßen zu flicken. Doch das Geld soll ausgerechnet vom Land kommen, das ein Habenichts ist? Da stimmt doch etwas nicht. Die Verteilungskämpfe sind daher sinnlos. Die CDU- und SPD-Vertreter, die Bund, Land und Kommunen regieren, sollten dafür sorgen, dass die Kassen besser gefüllt sind. Aber für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes demonstriert dort niemand.

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