Debatte um Brandschutz geht weiter – Experten: 80 Prozent der Veranstaltungen nicht sicher

Saarbrücken · Werden Brandschutzvorschriften immer strikter und kostspieliger? Experten sagen, auch mit weniger Geld lasse sich ein gutes Maß an Sicherheit erreichen. Zum Beispiel mit Profis vor Ort – doch daran mangele es. 80 Prozent der Veranstaltungen seien nicht sicher, schätzt die AG Veranstaltungssicherheit.

Mit dem Brandschutz an Schulen hat Regionalverbandsdirektor Peter Gillo (SPD ) ein heiß diskutiertes Thema angeschnitten. Gillo hatte beklagt, die Brandschutzvorschriften nähmen überhand und könnten Veranstaltungen an Schulen künftig unmöglich machen (die SZ berichtete).

Dass die Vorgaben tatsächlich sehr strikt sind, bestätigt Gabriele Lichtenauer, Diplom-Ingenieurin und Expertin für baulichen Brandschutz . Das sei aber sinnvoll, da Bauvorschriften ein breites Spektrum von Gebäuden abdecken müssten: So gelten etwa für alle mehrgeschossigen Veranstaltungsgebäude dieselben Anforderungen, unabhängig davon, ob dort einige hundert oder mehrere tausend Besucher hineinpassen. "Die Vorschriften sind nicht das Problem, sondern deren Umsetzung", sagt sie. Denn die Landesbauordnung lässt Abweichungen ausdrücklich zu. In den vergangenen Jahren sei das Bauwesen jedoch zunehmend privatisiert worden. Statt von Behörden würden Brandschutzkonzepte nun häufig von privaten Sachverständigen geprüft, die nicht immer die nötige Erfahrung hätten. "Um sich abzusichern, schießen sie mitunter über das Ziel hinaus und wenden den gesamten Vorschriftenkatalog an, ohne den Einzelfall im Hinblick auf sein spezielles Risiko zu prüfen", so Lichtenauer.

Für Veranstaltungsplaner Michael Woll, der zu dem Thema auch an Fachhochschulen lehrt, geht es bei der Schul-Debatte weniger um bauliche, als vielmehr um organisatorische Fragen: "Von politischer Seite wird schnell das Totschlag-Argument gebracht, dass die baulichen Anforderungen Millionen kosten." Dabei könnten die Auflagen großteils mit einfachen organisatorischen Mitteln umgesetzt werden, "ohne dass mit Hammer und Meißel neue Türen aufgestemmt oder hochkomplexe Entrauchungsanlagen installiert werden müssten", ist Woll überzeugt. Beispiele seien das Freihalten von Fluchtwegen oder eine sicher aufgebaute Bühne.

Dafür benötigt man Fachpersonal - doch genau daran mangele es, heißt es von Seiten der Arbeitsgemeinschaft (AG) Veranstaltungssicherheit, in der sich die Veranstaltungstechniker Wolfgang Müller , Frank Neusius, Peter Thelen und Karsten Kiefer zusammengeschlossen haben. Für sie ist der Brandschutz an Schulen nur "die Spitze des Eisbergs". "Die Sicherheit auf Veranstaltungen ist im Saarland ein grundsätzliches Problem", sagen die Experten . Sie schätzen, dass in 80 Prozent der Fälle die Sicherheitsvorschriften - wozu auch der Brandschutz zählt - nicht eingehalten werden. "Viele Dienstleister in diesem Bereich sind keine Profis. Von 450 haben 400 keine Fachausbildung." Viele würden hobbymäßig für wenig Geld Technik und Personal für Veranstaltungen stellen. Dabei ist in der Versammlungsstättenverordnung ausdrücklich vorgeschrieben, dass bei Events Fachkräfte für Veranstaltungstechnik vor Ort sein müssen. Aber: "Das kontrolliert keiner - weder die Bauaufsicht noch die Ordnungsämter", so die Mitglieder der AG. Häufig fehle den Behörden auch das Fachwissen. Dabei müssten die Städte und Gemeinden ein ureigenes Interesse daran haben, ganz genau auf die Sicherheit etwa in Stadthallen und Schul-Aulen zu achten. Denn seit 2008 haftet nicht nur der Mieter, sondern auch der Betreiber, wenn etwas passiert - bei einer Faschingsfeier in einer Stadthalle also die Stadt selbst.

Der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) hat nach eigener Aussage die Kommunen in Rundschreiben "über Einzelaspekte" der Versammlungsstättenverordnung informiert, als diese 2008 novelliert wurde. 2009 wurde zudem ein Seminar zum Thema angeboten, "unter großer Beteiligung" kommunaler Mitarbeiter, so der SSGT. Wie es um die Sicherheit einzelner Hallen bestellt ist, kann der SSGT nicht sagen.

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