Baufirma zerlegt Saarbrücker Kunstwerk

Saarbrücken · Der Metallbildhauer Eberhard Fiebig verewigte sich 1993 mit seiner Plastik Liwan vor der Hauptpost. Die Firma Dream Global Advisors Germany baut dort nun um und hat Liwan entfernt. Juristisch belangt werden kann die Firma dafür nicht.

 Die Firma Dream Global Advisors Germany hat Liwan vom Bahnhofsvorplatz entfernt. Foto: sbu

Die Firma Dream Global Advisors Germany hat Liwan vom Bahnhofsvorplatz entfernt. Foto: sbu

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Seit 1993 stand es da und war das wohl unbemerkteste Kunstwerk Saarbrückens im öffentlichen Raum. Dabei war es kaum zu übersehen: Sechs Meter hoch, aus tonnenschwerem Stahl, in Gelb, einer Farbe mit Signalwirkung lackiert, ragte die Metallplastik Liwan von Eberhard Fiebig vor der (ehemaligen) Hauptpost am Bahnhofsvorplatz auf. Doch fragt man Passanten nach einem Kunstwerk vor der Post, kommen sie ins Grübeln. "Ach, das stilisierte Posthorn", sagen manche dann. Macht nichts, mit dem Bedürfnis, in abstrakten Formen etwas Figürliches zu sehen, hat Eberhard Fiebig kein Problem.

Der Metallbildhauer, der von 1974 bis zur Emeritierung 1995 als Professor in Kassel lehrte, ist zwar nicht berühmt, doch gilt er als bedeutender Künstler. Für ihn ist Kunst Handwerk, Metall sein favorisiertes Material, dessen Faltungsmöglichkeiten er in unendlichen Varianten erforscht. Er war einst ein Avantgardist am Computer. Schon 1967 arbeitet er mit dem Deutschen Rechenzentrum zusammen, um virtuelle Bleche aus Stahl zu falten. In seinem Leben schuf der heute 86-Jährige fast 30 große Metallplastiken als Kunst am Bau und für den öffentlichen Raum. Sie stehen vor Landeszentralbanken, Ministerien, Unternehmen in Frankfurt/Main, Bonn oder auch Slowenien. Die wohl größte und bekannteste ist das "Tor des irdischen Friedens" auf dem Gelände der Universität Kassel , sieben Meter hoch, drei Meter breit und 100 Tonnen schwer. Fiebig, der Anfang der 1990er vom Kulturbeauftragten der Bundespost den Auftrag erhielt, ein Kunstwerk für den Neubau in Saarbrücken zu schaffen, kann sich an damals erinnern. Geplant hatte er einen "Torturm für Thurn und Taxis". Doch nach drei Jahren Planungen und Verhandlungen gab es für den Turm weder Geld noch Platz. Also musste er noch mal umplanen, schuf den kompakteren, kleineren Liwan.

Doch nun ist Liwan weg. Die Firma Dream Global Advisors Germany mit Sitz in Frankfurt, die die Immobilie zum neuen "Saarforum" entwickeln, also auch umbauen will, hat Liwan entfernen lassen. Als wir Fiebig anrufen, um ihn dazu zu befragen, fällt er aus allen Wolken. Denn die Firma hatte ihn nie kontaktiert. Vor nunmehr fast zwei Wochen seien Monteure gekommen und hätten die Metallplastik mit dem Schneidbrenner zerlegt und dann abtransportiert, erzählte der SZ ein Augenzeuge. Warum wollte die Firma die Plastik entfernen, hatte sie versucht, einen anderen Standort zu finden, warum hat sie Fiebig nicht gefragt? Die SZ reichte auf Wunsch von Dream Global Advisors diese Fragen schriftlich ein, nach eineinhalb Wochen teilte eine Mitarbeiterin gestern telefonisch mit, die Geschäftsleitung möchte sich nicht äußern.

 Fiebigs Metallskulptur vor dem Abriss. Foto: sbu

Fiebigs Metallskulptur vor dem Abriss. Foto: sbu

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"Barbarisch" findet Fiebig das Verhalten. "Das geht überhaupt nicht", zeigt sich auch Monika Schrickel, die Landesvorsitzende Saarland des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK), entsetzt. Geschockt ist auch Elfriede Müller vom Berliner "Büro für Kunst im öffentlichen Raum " des BBK und nennt es "völlig respektlos, kulturlos". Das Büro, das Bauherren, Kommunen und Künstler zu Fragen der Kunst im öffentlichen Raum berät, weiß aber auch: Juristisch belangt werden kann die Firma für die Totalzerstörung nicht. Zwar besagt das Urheberrecht, dass man an einem Kunstwerk nichts verändern darf, sondern nur der Künstler. Doch wenn er sein Werk gegen Honorar für einen Auftraggeber herstellt, bekommt, so die Auslegung in der juristischen Praxis, der Dritte die volle Verfügungsgewalt und darf auch zerstören. So steht es im juristischen Ratgeber "ProKunst 5" des BBK. Allerdings sei der Eigentümer gehalten, bei transportablen Werken dem Künstler die kostenlose Rücknahme anzubieten. Ein Schwerlasttransport wäre die Firma aber teuer gekommen. Das Geld wollte sie sich offenbar sparen.

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