„Ziel ist, dass die SPD stärkste Kraft wird“

Die SPD-Spitzenkandidatin sieht im Wahlkampf deutliche Unterschiede zum Koalitionspartner CDU.

Setzt auf Sieg: SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger. Foto: Iris Maria Maurer

Setzt auf Sieg: SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger. Foto: Iris Maria Maurer

Foto: Iris Maria Maurer

Frau Rehlinger, Sie bestreiten die Karnevalsveranstaltungen in diesem Jahr in einem Bauarbeiter-Kostüm. Finden Sie die vielen Bau-Skandale, die die CDU/SPD-Landesregierung zu verantworten hat, wirklich nur zum Lachen? Oder ist das nicht eher zum Weinen?

Rehlinger: Ich bestreite die Karnevalssitzungen als Brückenbauerin. Das ist der Bereich, für den ich zuständig bin. Und die Fechinger Talbrücke habe ich nicht kaputt gemacht, sondern habe sie wieder fit gemacht in sehr schneller Zeit.

Also auch nicht zuständig für das Ludwigspark-Stadion-Bauprojekt, das ja von beiden Parteien dieser Landesregierung mit betrieben wird und von der Stadt Saarbrücken, die eine SPD-Oberbürgermeisterin mit Charlotte Britz hat?

Rehlinger: In der Debatte um das Stadion sind ein paar Zahlen bekannt geworden. Es gab die Zusage der beiden Parteien in der Landesregierung, dass wir den Neubau unterstützen wollen. Und jetzt wird man sehen müssen, wie man das gemeinsam gestemmt bekommt. Die Landeshauptstadt als Bauherrin ist gefragt, ein Konzept zu erstellen, wie es technisch und finanziell funktioniert.

Es wird von Seiten Ihres Koalitionspartners scharf geschossen. CDU-Generalsekretär Roland Theis hat gesagt, dass sich die Oberbürgermeisterin Charlotte Britz irgendwo versteckt und nicht die Verantwortung übernimmt für die acht Millionen Euro Mehrkosten, die jetzt von den Dezernenten genannt wurden. Wo versteckt sich Frau Britz?

Rehlinger: Irgendetwas zu verstecken, ist nicht die Eigenschaft von Charlotte Britz. Im Gegenteil: Sie hat an einem Strang gezogen unter Einbeziehung der Vertreter der Landesseite. Zu einem Zeitpunkt, an dem nur die Zahlen auf dem Tisch liegen und nicht mehr passiert ist, schon mit Schuldzuweisungen zu arbeiten, bringt uns nicht wirklich weiter.

Sie wollen Ihre Kollegin in der Landesregierung, Frau Kramp-Karrenbauer, als Ministerpräsidentin ablösen. Wie soll das gelingen? Mit Rot-Rot-Grün oder dem Schulz-Turbo, der die SPD vor die CDU katapultiert und Rot-Schwarz ermöglicht?

Rehlinger: Es ist in erster Linie unser Ziel, dass die SPD stärkste Kraft wird. Ansonsten kämpfen wir nicht für Koalitionen und den Machterhalt, sondern für unsere Inhalte.

Dem Wähler fällt es schwer, nach fünf Jahren großer Koalition auf Bundes- und Landesebene Unterschiede zwischen CDU und SPD zu erkennen. Was sind denn die wichtigsten Fragen im Saarland, auf die Sie andere Antworten haben als die CDU?

Rehlinger: Ich glaube, dass es dem Wähler zunehmend einfacher gemacht wird, die Unterschiede zu erkennen. Sowohl im Land als auch im Bund. Wir haben Wahlkampf, da kann es Schnittmengen geben, da kann es aber auch Themenfelder geben, wo man eben weiter auseinanderliegt. Im Bund erleben wir das gerade. Der designierte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat sich ganz klar dazu bekannt, dass er für einen viel stärkeren Schutz von Arbeitnehmern eintritt. Das wird ihm als Sozialpopulismus vorgeworfen. Ich finde, dass in diesem Fall eine nicht unerhebliche Unterscheidbarkeit zu Tage tritt.

Aber wo sind die Unterschiede zwischen CDU und SPD auf Landesebene?

Rehlinger: Das ist sicherlich das Thema Bildungspolitik. Ein Feld originärer Landespolitik, in dem wir uns wesentlich unterscheiden. Wir treten dafür ein, den weiteren Ausbau der echten, gebundenen Ganztagsschulen voranzubringen - und nicht das Nachmittagsbetreuungsmodell. Wir wollen Wahlfreiheit schaffen. Es muss nicht jeder auf eine Ganztagsschule gehen. Aber die, die es wollen, sollen es auch können. Genau das ist bisher nicht der Fall. An den Gymnasien soll zudem die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 wieder möglich sein. Alle Punkte, die wir bei G8 schon immer als kritisch betrachtet haben, sind leider eingetreten - und konnten auf lange Sicht auch nicht so abgemildert werden, dass man zufrieden sein könnte. Zu den kritischen Punkten zählen beispielsweise Leistungsverdichtung, keine Zeit mehr für Freizeit-Aktivitäten und Nachhilfeunterricht. Und das ganz zentrale Thema ist, dass Bildung für uns kostenfrei sein muss. Die SPD ist die Partei, die dafür eintritt, dass Bildungschancen nicht am Geldbeutel der Eltern scheitern dürfen. Das gilt von der Krippe bis zur Hochschule oder Meisterausbildung.

Frau Kramp-Karrenbauer verspricht den Leuten gleich 2000 Euro als Bildungsbonus…

Rehlinger: Ja, das ist Wahnsinn! Ein halbes Krippenjahr wird damit versprochen. Das ist wirklich die Leuten an der Nase herumgeführt.

Wie viel wollen Sie den Leuten für die Bildung zahlen?

Rehlinger: Es geht zunächst darum, dass wir den Einstieg in kostenfreie Bildung schaffen. Das ist ein klarer Anspruch der SPD und wird im Bundesprogramm so stehen. Wenn die Bundespartei einsteigt, müssen wir natürlich auch weniger vom eigenen Landesgeld in die Hand nehmen. Klar ist: Wir wollen uns Schritt für Schritt auf den Weg der Kostenfreiheit machen, insbesondere bei Krippen- und Kita-Plätzen. Jetzt wie die CDU zu sagen, man zahlt 2000 Euro ein und hat damit den Einmalbetrag für die gesamte Bildungskarriere, das halte ich für weiße Salbe, die nicht im geringsten geeignet ist, wirklich zu helfen. Deutschland ist leider das Land, in dem die Bildungschancen am allermeisten von der Herkunft abhängen. Das ist ein unerträglicher Zustand.

Die CDU will Familien mit Bildungsbonus und Baugeld bedenken. Die Finanzierung der Boni hat sie vom Finanzministerium berechnen lassen. Die Jusos sagen: Das geht nur, wenn das Finanzministerium diese Rechenleistung auch den anderen Parteien zur Verfügung stellt. Das hat Finanzminister Stephan Toscani bereits angeboten. Lassen Sie auch das Ministerium für die SPD rechnen?

Rehlinger: Nein.

Warum nicht? Das ist doch ein nettes Angebot von Herrn Toscani.

Rehlinger: Ja, das stimmt. Aber wir haben unser Programm ja schon verabschiedet. Wir haben alles selber überschlagen.

Das Gespräch führte Dietmar Klostermann (Langfassung auf saarbruecker-zeitung.de)

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