Extremer Druck im Regenwasser-Nadelöhr

Fangen wir ganz vorne und im Kleinen an. Herr Selzner, was war los, als 2002 in der Kaiserslauterer Straße die Dame im Bürgersteig versank?Bernd Selzner: In der Kaiserslauterer Straße ist 2002 im Prinzip dasselbe passiert, wie im Januar 2009 und vorige Woche im Sittersweg auf dem Rodenhof. In allen drei Fällen sind Hohlräume eingestürzt, die auf dieselbe Art entstanden waren

Fangen wir ganz vorne und im Kleinen an. Herr Selzner, was war los, als 2002 in der Kaiserslauterer Straße die Dame im Bürgersteig versank?

Bernd Selzner: In der Kaiserslauterer Straße ist 2002 im Prinzip dasselbe passiert, wie im Januar 2009 und vorige Woche im Sittersweg auf dem Rodenhof. In allen drei Fällen sind Hohlräume eingestürzt, die auf dieselbe Art entstanden waren.

Und wie muss man sich das vorstellen?

Selzner: Ein Abwasserrohr hat ein kleines Loch oder mehrere. Wenn es extrem regnet, staut sich das Wasser im Rohr und drückt durch die Löcher nach außen ins Kanalbett - also in die Sandschichten, in denen Kanalrohre normalerweise verlegt werden. Wenn der Regen nachlässt, fließt das Wasser im Rohr ab - und das Wasser, das durch die Löcher nach außen gedrückt worden war, tropft in den Kanal zurück. Dabei schwemmt es den Sand aus dem Kanalbett mit ins Rohr, also Richtung Saar oder Kläranlage. So verschwindet zunächst der Sand aus dem Kanalbett und anschließend die Erde aus der Umgebung des ausgespülten Kanalbettes. Ein Hohlraum entsteht. Wie schnell das geht, hängt davon ab, wie groß die Löcher im Rohr oder Kanal sind, wie oft das Rohr oder der Kanal überfordert ist, wie stark der Wasserdruck wird, wie stark das Gefälle ist und davon, woraus der Boden ums Kanalbett besteht.

Das Loch in der Kaiserlauterer Straße war etwa zwei Quadratmeter groß und 1,20 Meter tief. Welchen Durchmesser hatte das "verantwortliche" Rohr?

Selzner: Das war ein Hausanschlussrohr mit etwa 15 Zentimetern Durchmesser, wohl aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Es hat vermutlich Jahre gedauert, bis der Hohlraum entstanden ist, in den 2002 die Dame eingebrochen ist.

Im Januar 2009 stürzten an der Ecke Sittersweg und Ziegelstraße rund 20 Quadratmeter Gehweg und Wiese in ein fünf Meter tiefes Loch. Wie groß war der durchlöcherte Kanal?

Selzner: Das war ein Regenwasserkanal aus den 20er Jahren - gemauert, 1,05 Meter hoch, 70 Zentimeter breit. Er war nur etwa 110 Meter lang, gehörte aber zu den größten Kanälen der Stadt. Durch ihn floss fast der gesamte Regen vom Rodenhof ab. Wenn es wie aus Kübeln goss, dann rauschte das Wasser dort mit einem extremen Druck bergab - und hat irgendwann Mörtel und Steine mit sich gerissen. Kann sein, dass es nur einige Wochen brauchte, um den Hohlraum auszuschwemmen, der im Januar einstürzte. Dieser Kanal war also ein Nadelöhr - wie wir es sonst nirgendwo in Saarbrücken haben.

Und wie entstand das Loch am Haus Sittersweg 10, das am 8. Juli, entdeckt wurde?

Selzner: Dafür war derselbe Kanal verantwortlich wie für das Loch vom Januar. Genau wie der Hohlraum, der im Januar an der Ecke Ziegelstraße/Sittersweg einstürzte, ist auch der Hohlraum am Haus Sittersweg 10 sicher schon einige Zeit vorher entstanden. Als er vergangene Woche einstürzte, war nicht mal mehr Wasser im Kanal. Den hatten wir nämlich am Montag, 6. Juli, trockengelegt, nachdem wir mit unserem Kameraschlitten entdeckt hatten, dass vor Haus Nr. 8 ein Stück des Kanals eingebrochen war.

Was muss die Stadt für solche Schäden ausgeben?

Selzner: Die Reparatur 2002 in der Kaiserslauterer Straße hat etwa 5000 Euro gekostet. Für die Bauarbeiten im Sittersweg, einschließlich des neuen Kanals und der 20 Kubikmeter Beton, mit denen wir das Haus Nummer 10 gestützt haben, werden schätzungsweise 500 000 Euro nötig sein.

Wann und wo bricht der nächste Kanal?

Selzner: Wir haben zwar alle Kanäle der Stadt abgefilmt. Trotzdem bin ich kein Hellseher. Ich kann nur sagen: Ich glaube nicht, dass wir noch einmal einen Kanal-Bruch mit denselben Folgen wie im Sittersweg haben werden. Der Kanal dort war der einzige dieser Größe auf dem Rodenhof - und wie gesagt ein Nadelöhr. Ich kenne in der ganzen Stadt keinen anderen Kanal, in dem die Situation so kritisch ist, der also genauso stark beansprucht wird, wie der im Sittersweg.

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