Junge Frau springt auf die Gleise: Lokführerin erleidet Schock

München · Schock nach Suizid-Versuch: Eine Lokführerin wurde krank, nachdem sich eine junge Frau vor ihren Zug geworfen hatte. Die 23-jährige überlebte. Und nun fordert die Lokführerin ein Schmerzensgeld.

Wer anderen Menschen Schmerzen zufügt, der muss dafür zahlen. Das gilt auch, wenn in Folge eines versuchten Selbstmordes ein anderer Mensch erkrankt oder verletzt wird. Dazu hat das Amtsgericht München klargestellt: Beim Sprung vor einen einfahrenden Zug ist es für den Täter in der Regel vorhersehbar, dass er beim Zugführer einen psychischen Schaden verursacht. Dafür muss der Täter dann gerade stehen.

Im konkreten Fall ging es um eine 23 Jahre alte Frau aus München. Sie wollte sich am Abend des 14. Februar 2012 umbringen und warf sich gegen 23.11 Uhr an einem Haltepunkt vor die S-Bahn. Dadurch gab es einen Unfall, den die junge Frau überlebte.

In dem Triebwagen der Bahn saß zu diesem Zeitpunkt eine andere Frau aus München an den Schalthebeln. Sie erlitt durch dieses Erlebnisses einen erheblichen psychischen Schock und leidet seitdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung. In der Zeit nach dem Unfall war sie rund einen Monat arbeitsunfähig. Sie verlangt deshalb von der jungen Frau Schmerzensgeld. Aber die 23-Jährige, die unter Betreuung steht, zahlte nicht. Sie wehrte sich damit, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in der Lage gewesen sei, frei eine Willensentscheidung zu treffen, da sie an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit gelitten habe. Daraufhin klagte die Zugführerin vor dem Amtsgericht.

Die zuständige Richterin gab ihr Recht und verurteilte die junge Frau zur Zahlung von 1500 Euro Schmerzensgeld. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte durch ihren Suizidversuch bei der Klägerin eine Körperverletzung verursacht hat. Die psychische Fehlverarbeitung des Unfalls durch die Zugführerin sei eine ganz typische Reaktion auf Unfälle dieser Art und durch das Ereignis ausgelöst. Für die Beklagte sei vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass sie bei dem Sprung vor den einfahrenden Zug bei dem Zugführer einen psychischen Schaden verursacht.
Die Richterin weiter: Die Beklagte habe die von ihr behauptete Erkrankung nicht nachgewiesen. Sie habe dem Gericht zwar ein Schreiben des behandelnden Arztes vorgelegt, wonach sie wegen selbstverletzender Verhaltensweisen (Ritzen) und einer Tablettenintoxikation in einer Klinik behandelt wurde. Außerdem habe sie ein ärztliches Attest vorgelegt, wonach sie an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderlinetyp leidet. Obwohl sie vom Gericht darauf hingewiesen wurde, habe die junge Frau aber keine Nachweise dafür vorgelegt, dass sie zum Unfallzeitpunkt so sehr erkrankt war, dass sie keinen freien Entschluss fassen konnte. Daher musste das Gericht davon ausgehen, dass die junge Frau zu diesem Zeitpunkt schuldhaft gehandelt hat (Az.: 122 C 4607/14)

Hier geht es zur Diskussion zum Artikel bei Facebook:
https://www.facebook.com/saarbrueckerzeitung/posts/1010396389000484

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort