Saar-Reisebüros schlagen Alarm

Wadgassen/Iserlohn · Viele Inhaber von Reisebüros sammeln Unterschriften für eine Petition an den Bundestag. Sie wehren sich gegen eine geplante Pauschalreiserichtlinie. Sie könnte dazu führen, dass die Büros für Reisen haften.

 Gaby Paetow betreibt ihr Reisebüro in Wadgassen schon seit Jahrzehnten. Sie macht sich Sorgen um die Zukunft. Foto: ruppenthal

Gaby Paetow betreibt ihr Reisebüro in Wadgassen schon seit Jahrzehnten. Sie macht sich Sorgen um die Zukunft. Foto: ruppenthal

Foto: ruppenthal

Gaby Paetow, Inhaberin eines Reisebüros in Wadgassen, ist verzweifelt. Nicht dass bei ihren Kunden das Fernweh nachgelassen hätte. Sie ärgert sich über ein Gesetz, das Anfang November vom Bundeskabinett abgesegnet wurde und ihrer Meinung nach zum Tod vieler Reisebüros führen wird. Es handelt sich um die Pauschalreiserichtlinie, bei der EU-Vorgaben in deutsches Recht überführt werden sollen. Paetow sammelt Unterschriften für eine Petition an den Bundestag. Mit dieser wollen sie und deutschlandweit viele Reisebüro-Inhaber verhindern, dass die Richtlinie in dieser Form umgesetzt wird. 50 000 Menschen müssten unterschreiben. Dann besteht die Hoffnung, dass das Regelwerk vorerst nicht rechtskräftig wird. Geplant ist dies für Mitte 2018.

Der Zorn von Gaby Paetow und ihren Kollegen richtet sich vor allem gegen die Regelungen, wonach die Reisebüros nicht mehr zum Vermittler, sondern zum Veranstalter einer Reise werden können. "Das kann dann passieren, wenn sich jemand seine Urlaubstour selbst zusammenstellt." Bucht er die Flüge, das Hotel, den Mietwagen und vielleicht noch eine kleine Kreuzfahrt separat, muss der neuen Richtlinie zufolge für jedes dieser Angebote "zunächst eine Beratung erfolgen, dann ein eigenes Formular ausgefüllt und dieser Teil der Reise sofort bezahlt werden". Danach kommt der zweite Reise-Baustein dran und so weiter. "Machst Du dabei nur einen Fehler, bist Du Veranstalter und damit haftbar", schimpft Marija Linnhoff. Sie ist Vorsitzende des erst vor einem Jahr gegründeten Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros (VUSR, Iserlohn). Haftbar heiße, dass die Büros unter anderem ein 24-Stunden-Krisenmanagement und eine Reiseleitung vor Ort vorhalten müssten. "Das kann sich niemand leisten. Viele von ihnen müssten aufgeben." Daher hat der VUSR diese Petition auf den Weg gebracht, die auch im Büro von Gaby Paetow ausliegt.

Die Wechsel-Falle vom Vermittler zum Veranstalter kann schon zuschnappen, wenn der Kunde den Gesamtpreis seiner selbst zusammengestellten Baustein-Reise wissen will. "Dann muss ich ihm sagen: Hole Dir einen Taschenrechner und rechne es Dir selbst aus", sagt Linnhoff. Der einzige sichere Hafen sei dann, "dass die Büros nur noch Pauschalreisen anbieten", meint Gaby Paetow. "Dabei nehmen die Fernreisen zu, und diese werden fast immer individuell und nicht pauschal gebucht." Die Reise-Fachfrauen erinnern zudem daran, dass Stammkunden "ihre Touren gerne am Telefon klarmachen. Auch das wird problematisch". Der Deutschen Reise-Verband (DRV) kritisiert die Regelung ebenfalls. "Der vorgeschlagene Weg ist äußerst bürokratisch und untauglich, weil er sich nicht an der Wirklichkeit am Counter orientiert", meint DRV-Präsident Norbert Fiebig. Auch der Verbraucherschutzverband VZBV sagt, "dass die Regelungen zu kompliziert sind". Der DRV trägt diese Petition jedoch nicht mit und gibt ihr auch keine großen Chancen. Marija Linnhoff glaubt zu wissen warum. "Der DRV hat die großen Reiseveranstalter als Mitglieder. Die wollen uns Reisebüros weghaben." Dieses Vertriebssystem gebe es nur in Österreich und in Deutschland. "Doch wir sind nicht umsonst Reiseweltmeister."

Meinung:

Komplett einkassieren

Von SZ-Redakteur Lothar Warscheid

Deutsche Besonderheiten werden von der EU stets kritisch beäugt. Das war und ist so bei den Sparkassen, und jetzt sind die Reisebüros dran. Doch die Initiative für eine Richtlinie geht immer von einem EU-Land aus. Im Fall des neuen Pauschalreise-Regelwerks war es Großbritannien. Welche Lobby-Rolle dabei die dort beheimateten größten Reiseveranstalter Thomas Cook und Tui gespielt haben, bleibt dahingestellt. Doch die Briten wollen den Brexit, und mit der von ihnen angestoßenen Richtlinie legen sie die Axt an den Stamm des deutschen Reisebüro-Vertriebssystems. Am besten würde Europa das Ganze komplett einkassieren.

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