Saar-Firma will Renaissance der Oberleitungs-Busse

Saarbrücken · Auch in Saarbrücken fuhren einst Oberleitungsbusse. Sie galten aber als unmodern, als die Diesel-Busse aufkamen. Das Saarbrücker IT-Unternehmen Dialogika arbeitet an einer Rückkehr der Busse. Denn die Probleme der Technik könne man durch Software lösen.

Jan Messerschmidt lässt nicht locker. Seit vielen Jahren setzt er sich für eine Renaissance der sogenannten Trolleybusse ein - der Elektrobusse, die ihren Strom aus Oberleitungen ziehen. Weniger Lärm, keine Abgase, kein Feinstaub - das sind die ökologischen Argumente, die er anführt. Aber auch ökonomisch könnten moderne Trolleybusse, die für kurze Strecken auch in Batteriebetrieb fahren können, mit Diesel-Fahrzeugen mithalten. Und rein über Batterie laufenden Bussen seien sie vor allem in der Effizienz klar überlegen. Der Haken an der Technik: Die Busse sind an Oberleitungen gebunden, und der Aufbau des Leitungsnetzes kostet viel Geld.

Messerschmidt, einer von drei Gründern, Geschäftsführern und Gesellschaftern des Saarbrücker Software-Hauses Dialogika, hat mit seinem Team ein Computerprogramm entwickelt, das den Weg in eine neue Zukunft dieser inzwischen selten gewordenen Busse ebnen soll. Er kann sich gut vorstellen, dass sie auch in Saarbrücken wieder rollen. Zurzeit fahren sie in Deutschland nur noch in Esslingen, Solingen und Eberswalde nahe Berlin.

"Software ist die Lösung" für die Probleme der Technik, sagt er. Sie ermöglicht, dass die Busse vollautomatisch die Stromabnehmer auf ihrem Dach, zwei lange Metallstangen, an die Oberleitungen andocken. So könnten die Busse einfacher als bisher einem Hindernis ausweichen: von der Leitung abkoppeln, batteriebetrieben weiterfahren und nach Bedarf wieder einklinken ins Stromnetz. Auch brauche man weniger Oberleitungen, vor allem nicht die teuren Leitungskreuzungen und -weichen, erläutert Messerschmidt. "50 Prozent der Infrastrukturkosten kann man so einsparen." Und man könne verhindern, dass schöne Plätze durch Leitungen verschandelt werden.

Vor sechs Jahren hat Messerschmidt seine Software zum Patent angemeldet. Prinzipiell funktioniert die Technik. Bisher aber nur, wenn der Bus steht. "Idealerweise sollen die Busse während der Fahrt andrahten. Das ist unsere Vision", sagt Messerschmidt. Noch steckt er mit seinem Team mitten in der Entwicklung. Mit dem Schweizer Bahntechnik-Spezialisten Kummler + Matter hat Dialogika einen Partner, der die Arbeit großteils finanziere, sagt der Informatiker. Aber lange soll es nicht mehr dauern, bis alles läuft. Fertig sei man "optimistisch gesprochen, noch dieses Jahr, pessimistisch, im nächsten Jahr". Testfahrten unter Echt-Bedingungen stehen bevor. Im September über mehrere Wochen in Eberswalde, zeitgleich mit der Verkehrstechnikmesse Inno-Trans in Berlin.

Hoch interessiert an der Technik seien natürlich die Städte, die noch Trolleybusse im Einsatz und damit auch das Leitungssystem haben, sagt Messerschmidt. Er hofft aber auch, dass andere Städte hinzukommen. Auch dass sich die Saarbahn, die Verkehrsgesellschaft der Saarbrücker Stadtwerke, an die Technik herantraut. Zumal früher hier solche Busse gefahren sind. Die Geschäftsführung reagiert allerdings skeptisch. Die hohen Investitionskosten schrecken. Im Vordergrund stehe, den jetzigen Betrieb zu optimieren, sagte Saarbahn-Geschäftsführer Andreas Winter. Nachdenken könne man allenfalls über Trolleybusse, "wenn das anderswo funktioniert".

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 Mit dieser Apparatur testet Dialogika das Andrahten der Stromabnehmer an die Oberleitung. Foto: Dialogika

Mit dieser Apparatur testet Dialogika das Andrahten der Stromabnehmer an die Oberleitung. Foto: Dialogika

Foto: Dialogika

Hintergrund Die Firma Dialogika in Saarbrücken-Dudweiler ist mit sehr verschiedenen IT-Produkten am Markt: zum Beispiel einer Software , die es ermöglicht, beim Wechsel des Mobilfunkanbieters die Telefonnummer mitzunehmen. Dialogika erwirtschaftet nach Angaben von Geschäftsführer Jan Messerschmidt mehr als sechs Millionen Euro Jahresumsatz und beschäftigt über 80 Mitarbeiter. mzt

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