Porsche-Chef soll an VW-Spitze

Wolfsburg/Stuttgart · Der Abgas-Skandal bei VW nimmt immer größere Dimensionen an – auch in Europa. Nach Winterkorns Abgang muss ein neuer Konzernchef her. Derweil gibt es weitere Rücktritte von Spitzenmanagern.

Ein Neuanfang muss her bei Volkswagen. Spekulationen über einen geeigneten Nachfolger für den zurückgetretenen Vorstandschef Martin Winterkorn schießen ins Kraut. Inzwischen gilt Porsche-Chef Matthias Müller als Favorit für die Nachfolge, wie es aus Unternehmenskreisen hieß. Die Entscheidung über die neue Führungsspitze soll heute bei der Sitzung des VW-Aufsichtsrats in Wolfsburg fallen. Aber auch unbelasteten "Neuzugängen" unter den Top-Managern wie VW-Markenchef Herbert Diess (57) oder Lkw-Chef Andreas Renschler (57) werden Chancen eingeräumt. Audi-Chef Rupert Stadler (52) schließlich war Wunschkandidat des nun geschassten Patriarchen Ferdinand Piëch .

Wer auch immer an die Spitze rückt, die Aufgabe ist gigantisch: Im Fall seiner Ernennung müsste der Neue den Weltkonzern aus einer tiefen Vertrauenskrise führen, in die der Abgas-Skandal den größten europäischen Autobauer gestürzt hat.

Die Folgen der Manipulationen kosteten jetzt weitere Spitzenmanager den Job. Bei den Töchtern Porsche und Audi müssen der für Forschung zuständige Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz und Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg gehen, wie aus Konzernkreisen zu erfahren war.

Zudem steht die Frage im Raum, ob andere Hersteller ebenfalls bei der Abgasmessung getrickst haben könnten. BMW , Daimler, Ford, Opel und Fiat betonten, sich an alle gültigen Vorgaben gehalten zu haben. BMW wies einen Bericht von "Auto Bild" zurück, wonach der BMW X3 xDrive 20d bei einem Straßentest des International Council on Clean Transportation (ICCT) den Euro-6-Grenzwert für Stickoxid um über das Elffache überschritten habe. Die BMW-Aktie war nach Bekanntwerden der Vorwürfe auf Talfahrt gegangen.

Weiteren Berichten zufolge rollt auf VW in den USA und in Kanada eine Flut von Sammelklagen zu. VW würden Betrug , Vertragsbruch und weitere Gesetzesverstöße vorgeworfen, hieß es. VW habe bisher "keine Kenntnis, wann, wo, wie welche Klage anhängig ist", sagte ein Unternehmenssprecher.

Nach ersten Gesprächen der Untersuchungskommission des Bundesverkehrsministeriums teilte Minister Alexander Dobrindt (CSU ) mit, dass auch in Europa VW-Dieselmotoren manipulierte Abgaswerte aufweisen. Von den Problemen bei VW sind neben Audi weitere Töchter betroffen. Ein Sprecher von Skoda bestätigte, Modelle der Reihen Fabia, Roomster, Octavia und Superb aus den Jahren 2009 bis 2013 seien teilweise mit den betroffenen Motoren ausgerüstet worden. VW hatte bereits eingeräumt, dass es bei insgesamt rund elf Millionen Fahrzeugen weltweit "Abweichungen" gebe. Eine vollständige Liste der betroffenen Modelle gibt es jedoch noch nicht.

Die EU-Kommission fordert vollständige Aufklärung von den nationalen Behörden. Diese sollten herausfinden, wie viele Autos mit manipulativer Software ausgestattet wurden. Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska sagte: "Unsere Botschaft ist klar: Null Toleranz bei Betrug und absolute Einhaltung der EU-Regeln."

Muss die deutsche Exportwirtschaft mit einem nachhaltigen Image-Schaden rechnen?

Börner: Nachhaltig ganz sicher nicht. Die deutsche Wirtschaft besteht ja zum Glück nicht nur aus VW , sondern aus einer Vielzahl mittelständischer Unternehmen, die davon nicht betroffen sind. "Made in Germany" ist eine Summe von vielen Produkten und Dienstleistungen, so dass ich mir hier keine großen Sorgen mache.

Das klingt zweckoptimistisch.

Börner: Sicher werden die Vorgänge um VW nicht spurlos an den ausländischen Kunden vorbeigehen. Da wird man auch in Erklärungsnot kommen. Auf jeden Fall müssen wir mit den Partnern im Ausland darüber reden. Allerdings will ich nur an den Flughafen BER in Berlin erinnern, der nun auch nicht gerade ein großes Aushängeschild deutscher Leistungsfähigkeit ist. Letztlich weiß man doch im Ausland, dass bei uns auch nicht alles Gold ist, was glänzt.

Dann übertreibt DIW-Chef Marcel Fratzscher, wenn er von Jobverlusten spricht?

Börner: Man kann immer den Weltuntergang konstruieren. Besonders als Wissenschaftler. Aber der VW-Konzern wird deshalb trotzdem nicht zusammenbrechen.

Immerhin ist VW ist bereits mit milliardenschweren Schadensersatzforderungen konfrontiert.

Börner: Die Erfahrungen solcher juristischen Auseinandersetzungen besagen schlicht: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Zum Schluss gibt es einen Kompromiss, der für den Volkswagen-Konzern äußerst schmerzhaft sein mag, aber nicht am Bestand des Unternehmens rüttelt. Da bin ich mir ganz sicher.

Wie sicher sind Sie sich, dass nicht auch andere deutsche Autobauer getrickst haben?

Börner: Wenn da etwas dran wäre, wäre das wohl schon auf dem Tisch. Denn nach meinem Kenntnisstand sind Insider schon länger über die Praxis bei VW im Bilde. Um mehr so muss man sich an die Fakten halten und keine Gerüchte bedienen. Und schon gar nicht in Panik verfallen.

Wie soll es weitergehen?

Börner: Natürlich darf man die Sache nicht verharmlosen. Die Vorgänge müssen restlos aufgeklärt werden. Keine Frage. Nur so lässt sich ein Image-Schaden für den Standort Deutschland abwenden. Aber bitte ohne Schaum vor dem Mund. Untergangs-Szenarien über die deutsche Wirtschaft helfen jedenfalls nicht weiter. Da sollte man auch die Kirche im Dorf lassen.

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