„Superschnell, supereinfach“

Brühl · Bei der Generation Playstation genießt der Nissan GT-R Ikonen-Status. Während die Pixelversion aber millionenfach durch Computerspiele brettert, macht sich der 570-PS-Bolide „in echt“ rar: Bloß 30 000 Stück des japanischen Porsche-Killers wurden weltweit bisher verkauft. Eine „Erfahrung“ in der Eifel.

 Er fährt sich genauso, wie er aussieht: extrem schnell, doch in der aktuellen Version auch überraschend unanstrengend. Seit 2009 überarbeitet Nissan seinen GT-R immer nur dezent. So sieht der Neue nie viel anders aus als der Alte. In Katsura-Orange aber wirkt er besonders giftig. Fotos: Nissan

Er fährt sich genauso, wie er aussieht: extrem schnell, doch in der aktuellen Version auch überraschend unanstrengend. Seit 2009 überarbeitet Nissan seinen GT-R immer nur dezent. So sieht der Neue nie viel anders aus als der Alte. In Katsura-Orange aber wirkt er besonders giftig. Fotos: Nissan

"Mal ‘ne Frage, kann man den kaufen - oder was?" Der Basecap-Träger am Flughafen, wo man den Nissan GT-R nach dem Ritt zum Nürburgring leider, leider wieder abgeben muss, kommt gleich zum Punkt. Die spontanen Verkaufsverhandlungen werden zwar von der Nissan-Mitarbeiterin mit gequältem Lächeln quittiert, das Gegenüber aber, dem Goldkettenbehang nach mindestes ein Gangsta-Rapper aus Köln-Kalk, hat offenbar Interesse sowie Kleingeld parat. "100 000 gehen klar", sagt er.

Leider kommt es nicht zum Abschluss. Die Nissan-Pressfrau nimmt sicherheitshalber den Schlüssel an sich. Doch das Exempel zeigt: Während viele bei Nissan bestenfalls an knubbelige SUVs à la Juke oder Wägelchen im Micra-Format denken, verehren in "Need for speed"-Nächten-gestählte Konsolensportler den Nissan GT-R wie eine Ikone. In diversen Games kommt der Superrenner aus Fernost allerdings ziemlich krawallig rüber. Ein Driftjunkie mit Riesenflügel und dem Motorsound einer hysterischen Kreissäge. Optisch so aggressiv, dass selbst ein Lamborghini dagegen wie ein frommer Monsignore aussieht.

Und wahrlich: Auch der Nissan GT-R aus Blech und Karbon gibt im leicht überarbeiteten Jahrgang 2016 immer noch den real gewordenen Traum der Generation Playstation. Außen ein Keil mit Kanten und Schlitzen, bissigem Schlund und gepfeilten Scheinwerfern. Ein GT-R will eben nicht schön, er will der Schnellste sein. Innen dominiert die Spielekonsole-Optik mit einem Riesen-Acht-Zoll-Touchscreen. Trotz mittlerweile üppig Karbon überall und feinem Lederbezug auf den Sitzen kann der GT-R den Parvenü nicht ganz abschütteln. Ein Auto wie einer, der es geschafft hat - und das auch rauskehrt. Die über Modellgenerationen ererbte Finesse eines Porsche sind ihm fremd. Trotzdem, oder eben deshalb, gibt es gute Gründe den Japaner zu lieben. Der wichtigste ist und bleibt der Startknopf. Drücken: Schon brüllen die 570 PS des 3,8 Liter V6-Biturbo los, ein Zuschlag nochmal von 20 Pferdchen. 315 km/h Spitze sind dann kein leeres Versprechen. Der Prestige-Sprint von 0 auf 100 km/h dürfte deutlich unter drei Sekunden zu schaffen sein; der Hersteller spricht hinter vorgehaltener Hand von 2,8 Sekunden. Vor allem aber entpuppt sich der Über-Nissan als kurvengieriges Monster auf vier angetriebenen Rädern. Wobei bei trockener Straße fast alle Kraft nach hinten geht. Sehr schön. Nutzt man beherzt die Schaltpaddel, die nun (eine merkliche Verbesserung) direkt am Lenkrad sitzen, schleudert einen der Wagen katapultgleich nach vorn. Trotzdem klebt man wie Pattex in den Eifelkurven, rauscht auch dank des Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebes im Blitztempo an nervigen Lkws vorbei. Und jetzt muss ich doch mal persönlich werden: Ein besseres Fahrwerk ist mir bisher noch nicht untergekommen.

Ein Audi-Fahrer mit RS6, immerhin auch ein 560-PS-Athlet, der es später auf der Autobahn wissen will, lässt den Tacho bis 290 klettern. Doch der GT-R folgt geradezu aufreizend lässig. Ohne aber, dass einem nachher das Hemd am Leib pappt. Man fährt wie auf Schienen.

Bloß die Schalldämmung gehört immer noch zu den Unterpunkten in der Agenda der Nissan-Ingenieure. Im GT-R hört man halt das Tempo. Dennoch zeigt der Japan-Blitz jetzt erstaunlich zivile Umgangsformen. Früher war der GT-R als brettharter Plombenschüttler verschrien, doch lässt man nun mal die diversen elektronischen Fahrwerkshilfen ihre Arbeit tun, kann man mit ihm auch nett durch die Landschaft cruisen. Es gibt sogar zwei passable Rücksitze und ein Kofferabteil, das den Namen verdient. Ja, der Nissan wäre alltagstauglich, hätte der durchschnittliche GT-R-Fahrer fürs Brötchenholen nicht meist noch einen zivilen BMW oder Audi in der Garage.

Seit 2009 unterzieht Nissan seinen GT-R quasi einer permanenten Evolution. Von einst 485 PS ging's rauf auf 570 PS. Für die aktuelle Überarbeitung hieß das Leitmotiv: "supereinfach, superschnell". So sind es jetzt äußerlich nur kaum merkliche Retuschen etwa an der Spoilerlippe und an der C-Säule, die mehr Abtrieb bringen sollen. Die Karosserie wurde nochmals steifer gemacht. Vor allem aber dank des elektronischen Fahrwerks und der gediegeneren Ausstattung rückt der GT-R etwas näher an einen echten Gran Turismo heran. Wem das zu soft wird oder wer noch mehr Rennspirit will, für den gibt es die Track-Edition (117 900 Euro) und schließlich den Nismo (600 PS). Was dann vor allem heißt: leichter und härter.

Gut 1000 GT-R will Nissan pro Jahr in Deutschland verkaufen. Er bleibt, zumal bei einem Preis von 99 900 Euro, also ein selten auf der Straße zu sehendes Sammlerstück. Und angesichts fortschreitender Elektromobilität auch ein extrem archaisches Benzin-Vergnügen. Und dennoch: Es steckt auch ein Hauch von Poesie in diesem Japan-Keil. Just, wenn man ihn in Katsura-Orange ordert. Benannt nach dem japanischen Kuchenbaum, dessen Laub im Herbst so wunderbar intensiv leuchtet. Ja, man könnte darüber nach- und vielleicht sogar einen Haiku ersinnen.

Betörendes Orange

Im Fliegen des Pfeils

Glück gefunden.

 Im Innenraum wurde viel Leder und Karbon verwandt, um den GT-R schick zu machen.

Im Innenraum wurde viel Leder und Karbon verwandt, um den GT-R schick zu machen.

 Über den zentralen Touchscreen lassen sich viele Fahrzeugfunktionen leicht bedienen.

Über den zentralen Touchscreen lassen sich viele Fahrzeugfunktionen leicht bedienen.

Aber der Startknopf lockt.

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