Der Kampf um das beste Angebot

Saarbrücken · Preise sind keine feste Größe mehr. Im Online-Handel schrauben Unternehmen wie Amazon im Minutentakt an ihren Angeboten. Sie wissen genau, wann die Kunden auf welche Ware anspringen. Andere Händler versuchen, Preise auf einzelne Käufer abzustimmen.

 Im Online-Handel steigen und fallen die Preise für Kleidung und Elektronik besonders rasant.

Im Online-Handel steigen und fallen die Preise für Kleidung und Elektronik besonders rasant.

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Echte Schnäppchen können Verbraucher bei Milch und Benzin nicht mehr erwarten. Die Preise dümpeln seit Monaten im Tief. Im Online-Handel dagegen fahren die Angebote im Minutentakt Achterbahn. Diese Erfahrung durfte so mancher Amazon-Kunde im Februar 2014 machen. Die Marktforscher der Firma Minderest stellten fest, dass der Händler innerhalb von 72 Stunden den Preis für die Kamera Nikon D610 mehrmals zwischen 700 und 1600 Euro anhob oder zurücksetzte. Bei einem Gerät des Konkurrenten Canon verzeichnete Minderest 275 Preisschritte am Tag. Amazon wusste also genau, wann es zu welchen Preisen die Geräte feilbieten konnte.

Stefan Bures überrascht an diesem Befund nur, wie hoch die Preissprünge bei der Nikon-Kamera waren. Er beobachtet mit seinem Unternehmen Metoda das Gebaren der großen Online-Händler. Weniger überraschend ist für ihn hingegen die atemberaubende Geschwindigkeit, in der sich die Preise auf den großen Vergleichsportalen verändern. So stellte Metoda in einer Studie fest, dass im Mai Amazon Deutschland 3,1 Millionen Mal seine Preise änderte. Auch die Supermarktkette Plus nahm 630 000 Preisschritte vor, der Online-Händler Hitmeister fast 300 000. Besonders oft waren Kleidung, Elektronik und Handys betroffen. "Dynamische Preise" nennt sich das Prinzip - Angebote, die in kürzester Zeit schwanken können.

"Die Online-Händler stehen unter permanentem Druck", erklärt Stefan Bures. Die Verbraucher verfügen mit Vergleichsportalen wie idealo.de,spotster.de oder guenstiger.de über mächtige Werkzeuge. Übersichtlich und schnell können sie die Angebote unterschiedlicher Händler vergleichen. Die sind darauf erpicht, immer unter den zehn günstigsten Anbietern zu sein. Und das jede Minute. Wenn ein Händler zu lange auf den unteren Rängen der Vergleichsportale stehe, blieben auch die Kunden weg, so Bures. Meist reiche es aus, die Ware nur um einige Cents weniger anzubieten, um weiter vorne aufgelistet zu werden. "Insbesondere die Branchenriesen Media-Saturn und Amazon belauern sich gegenseitig", sagt der Marktforscher. Die könnten es sich aus Image-Gründen nicht leisten, nicht unter den zehn billigsten Anbietern bei Fernsehern oder Smartphones zu sein. "Der Preis ist eindeutig ein Marketing-Instrument, um Kunden anzulocken", sagt er.

Üblicherweise geben große Internethändler die Artikelpreise längst nicht mehr manuell ein, sondern nutzen dafür spezielle Software. Die reagiert fast in Echtzeit auf Preisveränderungen der Konkurrenz oder analysiert, zu welchen Preisen möglichst viele Artikel verkauft werden. Stefan Bures rät Kunden , die sich Spielekonsolen oder sonstige Elektronik zulegen wollen, diese unter der Woche morgens online zu kaufen. Dann seien die Geräte am günstigsten. Am Wochenende würden die Preise steigen, da die Konkurrenz durch den stationären Handel wegfalle. Auch bei Zugfahrten warnt Bures vor ungünstigen Zeitpunkten. Je näher die Fahrt rücke, desto teurer werde sie. Ist die ICE-Verbindung morgens noch für 40 Euro verfügbar, kann sie abends schon das Doppelte kosten.

Bei so manchen Kunden keimt aber der Verdacht, die Anbieter passten die Preise auch an die Zahlungsbereitschaft des Einzelnen an. Ganz unbegründet ist diese Annahme nicht. Das Bundesministerium für Justiz lässt sich in Verbraucherfragen von einem Sachverständigenrat beraten. Dieses Gremium stellte in einer Studie im Oktober 2015 Preisdiskriminierung beim Reiseportal ab-in-den-urlaub.de fest. Kunden mit Apple-Geräten mussten für eine Pauschalreise knapp 2700 Euro zahlen. Steuerten sie dagegen die Buchungsseite mit einem Microsoft-Computer an, waren es nur noch 2400 Euro. Dahinter steht die Annahme, Apple-Nutzer seien eher dazu bereit, höhere Preise zu zahlen, erklärt Helga Zander-Hayat vom Sachverständigenrat. Noch setzt aber laut der Studie nur die Tourismusbranche personalisierte Preise ein. "Dynamische Preise bleiben im Internet-Versandhandel das stärkste Verkaufsargument für die Händler ", sagt die Juristin.idealo.de

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