„In zahlreichen Branchen fehlen gute Bewerber“

Acht Architekten und ein Maurer für einen Hausbau, das sind sieben Architekten zu viel und sieben Maurer zu wenig. Was wirklich am Arbeitsmarkt benötigt wird, darüber sprach SZ-Redaktionsmitglied Patricia Müller mit IHK-Präsident Richard Weber und HWK-Präsident Hans-Alois Kirf.

Herr Kirf, Herr Weber, 2013 blieben viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Geht dieser Trend 2014 weiter ins Minus?

Kirf: Leider ja. Wir gehen davon aus, dass 2014 etwa 600 Stellen im saarländischen Handwerk unbesetzt bleiben. Es fehlen insbesondere Bewerber mit guten Noten. Im Jahre 2025 gehen wir grob von 25 Prozent weniger Schulabgängern aus.

Weber: Ich befürchte auch, dass es so weitergeht. Denn bei unverändert hoher Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen kommen immer weniger Absolventen aus unseren Schulen. So wird die Lücke immer größer. Dieser Trend verstärkt sich noch weiter, weil ein immer größerer Teil der Abiturienten lieber studieren möchte.

In welcher Branche fehlen die meisten Azubis?

Weber: Im Handel, in der Gastronomie, im Baubereich, aber auch teilweise in der Metall- und Elektrobranche blieben in den vergangenen Jahren viele Stellen unbesetzt. Aber das ist nicht nur eine Frage der Branche: Kleinere Unternehmen haben es häufig etwas schwieriger als größere.

Kirf: Uns fehlen überall gute Bewerber. Natürlich finden Betriebe in den Städten noch eher Mitarbeiter als in ländlichen Regionen und es ist für Betriebe leichter, Stellen mit sogenannten Traumberufen wie den Kfz-Mechatroniker zu besetzen.

Werden Lehrstellen in der Not auch mit unterqualifizierten Bewerbern besetzt?

Weber: Sicherlich, das konnten wir in den vergangenen Jahren feststellen. Die Unternehmen schauen sich mittlerweile auch Bewerbungen an, die vom eigentlichen Anforderungsprofil abweichen. Während der Ausbildung werden dann vorhandene Defizite abgebaut. So bekommen auch vermeintlich Schwächere mittlerweile immer bessere Chancen auf einen Ausbildungsplatz.

Es gibt Schulabgänger, die aus Ratlosigkeit weiterführende Schulen anstreben. Raten Sie davon ab?

Kirf: Eindeutig. Wer wirklich Interesse an einer schulischen Qualifikation hat und bewusst auf die betriebliche Praxis verzichten will, dem soll der Weg natürlich möglich sein. Wer sich aber nicht ausreichend informiert und nur aus Bequemlichkeit einen vermeintlich leichteren Weg gehen will, der wird spätestens beim Berufseinstieg ein Problem haben. Dann ist es doch viel sinnvoller, früh praktische Erfahrung zu sammeln, um auch dadurch Ideen für eine spätere Karriere zu entwickeln.

Weber: Absolventen einer Berufsausbildung haben auch danach noch viele Möglichkeiten, voranzukommen: etwa über eine Weiterbildung zum Fachwirt, zum Betriebswirt oder zum Meister. Oder aber auch mit einem Studium. Mittlerweile gibt es auch Möglichkeiten, bereits während einer Ausbildung das Fachabitur zu erwerben oder Ausbildung und Studium miteinander zu verbinden. Den jungen Menschen bleiben alle Möglichkeiten offen - nur auf unterschiedlichen Wegen.

Auch Akademiker finden nach dem Abschluss nicht immer gleich Anschluss. Ist eine Ausbildung denn sicherer?

Kirf: Wir brauchen in Deutschland etwa 30 Prozent eines Jahrganges mit einer akademischen Qualifizierung, derzeit studieren aber über 50 Prozent. Das zeigt, dass auch bei unserem Fachkräftemangel Probleme für Einige vorprogrammiert sind. Ein Beispiel: Wenn ich ein Haus bauen will, dann beschäftige ich sinnvollerweise einen Architekten und acht Maurer. Derzeit bilden wir in Deutschland aber acht Architekten und einen Maurer aus.

Wenn Sie noch einmal jung sein könnten, welche Ausbildung würden Sie ergreifen und wieso?

Kirf: Ich würde sofort wieder meinen erlernten Beruf des Bäckers wählen. Ich liebe es noch heute, wenn die von meinen Händen geschaffenen Produkte Anerkennung finden, jüngst von meinem Enkel. So etwas bietet einem Menschen Erfüllung, wie man sie weder politisch noch durch Ämter jemals finden kann.

Weber: Mein Berufsweg begann mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Studium. Da wir aber ein Familienunternehmen sind, lernte ich frühzeitig auch die Praxis kennen. Bei den vielfältigen Angeboten, die es heute gibt, wäre sicherlich für mich auch ein duales Studium, das eine akademische Ausbildung mit beruflichen Praxisphasen und eventuell einer Berufsabschlussprüfung verbindet, eine interessante Alternative gewesen.

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