Dem Schornstein schlägt das letzte Stündlein

St Ingbert · Der Becker-Schornstein wird heute Abend um 18 Uhr gesprengt. Gestern liefen die Vorbereitungen dazu auf Hochtouren. Wenn es am Abend ernst wird, ist über der Stadt mehrmals ein Hornsignal zu hören.

Die schwarz-rote St. Ingbert-Fahne auf dem Beckerturm weht in einer kräftigen Brise. Sie zeigt in Richtung Josefskirche. "Wenn das morgen genauso aussieht, dann ist es optimal", sagt Sprengmeister Helmut Hörig mit Blick auf den hohen Punkt. Denn dann würde der Wind mithelfen, den 65 Meter hohen Schornstein im Innovationspark Beckerturm passgenau zwischen die Gebäude zu legen, die mit ihm als Kopfende einen großen Hof bilden. Die Wettervorhersagen lassen den 52-Jährigen während der Vorbereitungsarbeiten an diesem Montag jedenfalls guter Dinge sein. Während Sattelschlepper Sand auf dem Kopfsteinpflaster abladen, bohrt er auf Kopfhöhe Löcher in die 80 Zentimeter dicke Ziegelsteinwand des Kamins, in die später Sprengpatronen kommen. Drei fenstergroße Zugänge schlagen die Experten zudem in den Fuß des Kamins, um ihm die Fallrichtung vorzugeben.

Damit ist es besiegelt: Am heutigen Dienstag um 18 Uhr fällt der Schornstein. Hörig wird vom nahegelegenen Dach der Bäckerei Olk den Impuls geben und die acht Kilogramm Sprengstoff im Mauerwerk zünden, wenn nichts dazwischenkommt. Der Hochkamin neben dem Beckerturm, der mit den großen gelben Becker-Lettern über Jahrzehnte ein prägender Teil des Stadtbildes war, ist dann Geschichte. Die kommunalpolitische Debatte um seinen Abriss war intensiv. Der Stadtrat hatte erst widersprochen, dann aber zugestimmt, nachdem Innovationspark-Geschäftsführer Stefan Braun drohte, die Stadt müsse das marode Gemäuer übernehmen und für die Sanierungskosten selbst aufkommen, wenn er es nicht abreißen dürfe. Die Gefährdung durch ausbrechende Splitter wollte er nicht länger hinnehmen. Auch der Denkmalschutz hatte sich einverstanden erklärt, obwohl das Ensemble der alten Brauerei unter Schutz steht. Die Vorarbeiten für die Sprengung haben vergangenen Freitag begonnen mit den ersten Lkw voll Sand. Gestern ging es weiter. "40 bis 50 Sattelzüge sind es insgesamt", sagt Polier Klaus Mathis, während er den nächsten Laster an die richtige Stelle dirigiert. 800 bis 1000 Tonnen Material bewegt seine Firma mithin, um den Aufprall der Ziegelsteine abzufedern. Vor die Fensterfronten im Erdgeschoss hebt er mit dem Bagger Stahlplatten. Die meisten ebenerdigen Tore in dem Hof sind aber aus Holz und werden nicht eigens geschützt. Es soll sowieso möglichst wenig Gestein herumfliegen, erklärt Innovationspark-Chef Braun. Der Sprengbereich am Fuß des Schornsteins wird ummantelt. Der Kamin fällt in das Sandbett. Die Feuerwehr wird mit ihren Schläuchen eine Wasserwand gegen die Staubwolke aufbauen. Sprengmeister Hörig und seinem Kollegen Herbert Brunn bereitet nur die Spitze des Gemäuers Kopfzerbrechen. Sie ist einmal erneuert worden und es muss sich zeigen, wie sie sich während der Sprengung verhält.

Bange ist den beiden Experten aber nicht. Hörig: "Wenn ich mir nicht sicher wäre, würde ich es nicht machen." Die St. Ingberter werden gegen 18 Uhr zuerst einen langen Signalton hören. Dann weisen zwei kurze Töne auf die Sprengung hin. Danach drei Mal kurz: Alles ist vorbei.

Zu den Kosten wollte sich Braun gestern nicht äußern. Er hofft auf einen reibungslosen Verlauf. Sicherheitspersonal wird darauf achten, dass niemand den Innovationspark betritt, wenn die Mitarbeiter der Firmen um 16.30 Uhr gegangen sind. Ist der Hochkamin gefallen und die Staubwolke am Boden, geht es ans Aufräumen. In etwa einer Woche könnten Schutt und Sand entfernt sein und die über 20 Mieter der Räume und Hallen wieder störungsfrei arbeiten, hofft der Geschäftsführer.

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