Die Ökumene pilgert andersrum

Trier. Erwartungsvoll drängen sie sich im Trierer Dom. Langsam und andächtig treten die Pilger zum "Heiligen Rock", holen ihre Handys und Digitalkameras hervor, machen ein Foto oder berühren die Glasplatte über der Reliquie. Tausende Menschen pilgern derzeit jeden Tag zur Bischofsstadt an der Mosel

Trier. Erwartungsvoll drängen sie sich im Trierer Dom. Langsam und andächtig treten die Pilger zum "Heiligen Rock", holen ihre Handys und Digitalkameras hervor, machen ein Foto oder berühren die Glasplatte über der Reliquie. Tausende Menschen pilgern derzeit jeden Tag zur Bischofsstadt an der Mosel. Und am Ende ihrer Wallfahrt steht der Tradition gemäß der Besuch beim angeblichen Gewand Christi, dessen Echtheit auch nach Angaben des Bistums Trier nicht beweisbar ist.Am Samstag freilich war alles etwas anders: Denn die Teilnehmer des Ökumene-Tages der Trierer "Heilig-Rock-Wallfahrt" pilgerten nicht zu der in der Kathedrale ausgestellten Textilie hin. Sie pilgerten von ihr weg: Ihr Stationenweg begann im Dom und endete in der evangelischen Konstantinsbasilika in einem großen Tauferinnerungsgottesdienst. Lutheraner und Unierte, Orthodoxe und Freikirchler hatten die Einladung von Bischof Stephan Ackermann angenommen, gemeinsam eine "Christuswallfahrt" zu unternehmen.

Im Zentrum stand dabei "das Anliegen der Einheit, dass wir zusammengeführt werden, über die Grenzen der Konfessionen hinweg in die eine Kirche", wie es der Trierer Bischof formulierte. Schon heute seien die Christen aller Konfessionen durch das Geschenk des Glaubens und der Taufe miteinander verwoben, so ungeteilt wie der Heilige Rock. "In Christus sind wir eins, er hat sein Leben für die Einheit seiner Jünger gegeben." Zum Ausdruck kam das auch bei einer farbenprächtigen Prozession durch die Straßen der Innenstadt. Vorbei an Schuhgeschäften, Kaufhäusern und Döner-Imbissen zogen Bischöfe, Pfarrer und Priester hinter zwei großen Ökumenefahnen zunächst zum Innenhof des Priesterseminars und dann in die evangelische Basilika. Dort deutete der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz die Taufe als Kleid der Christen: "Ihr alle habt Christus angezogen wie ein Kleid", sagte Christian Schad.

Der Kirchenpräsident erinnerte daran, dass vor 500 Jahren, 1512, der Heilige Rock in Trier zum ersten Mal ausgestellt wurde. Martin Luther sprach damals von einer "Bescheißerey". "Bischof Ackermann, Sie haben den Rock als Christuszeichen gedeutet, so dass wir nicht zu einem Kleidungsstück pilgern, sondern zu Christus selbst kommen", sagte Schad an den Trierer Bischof gewandt. Dadurch könnten sich nun auch Protestanten an der Wallfahrt beteiligen.

Doch die Fortschritte, die die Ökumene in den letzten Jahren machte, waren in Trier auch an anderer Stelle zu spüren. Der Bischof der theologisch konservativen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Hans-Jörg Voigt, wirkte am Ökumenetag ebenso mit, wie sich auch Vertreter der die Kindertaufe ablehnenden mennonitischen Gemeinden am Tauferinnerungsgottesdienst beteiligten. Beides wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen.

Doch Schad erinnerte in seiner Predigt auch daran, dass die Ökumene immer ein "Näherungsprozess" sei. "Ökumenische Elementarerfahrungen machen wir, wenn wir uns gegenseitig mit offenen Armen begegnen", so der Kirchenpräsident. Besonders hob Schad dabei die Situation der konfessionsverschiedenen Ehepaare hervor. "Sie praktizieren im Alltag Kirchengemeinschaft und dürfen nicht länger die Stiefkinder der Ökumene sein." Es schmerze, dass die Kirchen noch nicht am Tisch des Herrn vereint seien. Doch die Erinnerung an die eine Taufe mache Mut, geduldig und beharrlich unterwegs zu bleiben. Und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Rheinland-Pfalz und im Saarland forderte die Teilnehmer des Gottesdienstes in einem am Schluss verlesenen Statement auf, sich in ihren Gemeinden weiter für die Ökumene einzusetzen. "Ihr alle habt Christus angezogen wie ein Kleid."

Kirchenpräsident Christian Schad

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