"Küchenmusik" trifft Klassik

Saarbrücken. Aufgewachsen ist Adriana Müller Baldo als Tochter einer Deutschen und eines Brasilianers in São Paulo. Schon früh entwickelt sie ihre Freude am Musikmachen. Wer dabei an Samba-Rhythmen oder tropischen Swing denkt, liegt zunächst ziemlich falsch

Saarbrücken. Aufgewachsen ist Adriana Müller Baldo als Tochter einer Deutschen und eines Brasilianers in São Paulo. Schon früh entwickelt sie ihre Freude am Musikmachen. Wer dabei an Samba-Rhythmen oder tropischen Swing denkt, liegt zunächst ziemlich falsch. Denn in Adrianas Waldorfschule wie auch bei ihren Privatlehrern galt die sogenannte Música Popular "als ,Küchenmusik', das heißt als minderwertig", erzählt Adriana. "Vivaldi, Schumann, Brahms, das zählt in den oberen Schichten. Dann kommt lange nichts, dann Jazz. Die Música Popular steht am Ende der Skala." In diesem Klima lag es nahe, ein klassisches Instrument spielen zu lernen. Aber wieso wählt Adriana die Oboe? "Ich wollte etwas, das nicht jeder tut oder sofort toll findet", sagt sie. Adriana stellt sich der Herausforderung, genießt schon früh Unterricht auf höchstem Niveau.Durch ihren aufgeschlossenen Musiklehrer am Gymnasium erlebt Adriana dann eine Art Kulturschock: "Er brachte die Musik Brasiliens in den Unterricht. Und mich ermunterte er, mit meinem Instrument mitzuspielen." Die Oboe, schon in der klassischen Musik ein wenig randständig, ist in den populären Musiken geradezu eine exotische Rarität. Der Lehrer führt Adriana dennoch bei den besten "Roda de Choro"-Sessions der südbrasilianischen Kulturmetropole ein. Choro, diese melodiöse, gefühlvolle Instrumentalmusik, fordert Adriana heraus und lässt sie entwickeln, was im klassischen Unterricht verpönt ist: Musik mit Swing, wobei Präzision und schriftlich fixierte Noten gerne mal zweitrangig werden dürfen.

Zwei Musikwelten

Nailor Azevedo ("Proveta"), einer der herausragenden Saxofonisten und Klarinettisten Brasiliens, schätzt Adriana und empfiehlt ihr, mit dem klassischen Studium aufzuhören. Er bietet ihr sogar an, sie selbst kostenlos zu unterrichten. Adrianas Oboe-Professor dagegen ist über ihr neues, freieres Timbre entsetzt. Zwei gegensätzliche Auffassungen treffen aufeinander. Auch die Logik verschiedener Lebenswege?

Adriana Müller Baldos Logik war und blieb eine eigene. Mit vorzeigbaren Stationen in der Música Popular: Mitglied des "Orchestra Jovem Tom Jobim", Auftritt in der Avenida Paulista vor Millionenpublikum, längere Zusammenarbeit mit Renato Braz. Und sogar besonders verpönte "Küchenmusik": Sessions mit afro-brasilianischen Musikern. Parallel dazu verfolgt Adriana den Weg der Klassik: Nach einem Hochschulstudium in São Paulo macht sie derzeit in Saarbrücken ihr Aufbaustudium. "Ich bleibe bei der Klassik, weil ich da noch nicht alles gelernt habe. Ihren schönen Klang. Die perfekte Technik." Und wie sieht die Zukunft aus? "Ich weiß nur eines sicher", sagt Adriana. "Sie wird anders, als ich es im Kopf habe."

Am Samstag, 20 Uhr, spielt Adriana Müller Baldo im Rahmen der Sessions "Roda de Choro" in Saarbrücken im Bistro Malzeit, Scheidter Straße 1.

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