"An allen Kliniken fehlt Personal"Pfleger: Schlechter Führungsstil im Klinikum

Saarbrücken. Der Stress auf den Intensivstationen ist ein Problem aller Krankenhäuser. Darauf weist Thomas Müller, Landesfachbereichsleiter Gesundheitswesen der Gewerkschaft Verdi, hin: "Überall fehlt Personal, die Arbeitsbedingungen sind unerträglich. Das ist nicht nur ein Problem auf dem Winterberg

Saarbrücken. Der Stress auf den Intensivstationen ist ein Problem aller Krankenhäuser. Darauf weist Thomas Müller, Landesfachbereichsleiter Gesundheitswesen der Gewerkschaft Verdi, hin: "Überall fehlt Personal, die Arbeitsbedingungen sind unerträglich. Das ist nicht nur ein Problem auf dem Winterberg." Die SZ hatte berichtet, dass 2011 im Klinikum Saarbrücken elf Mitarbeiter der Intensivstation gekündigt haben. Müller kritisiert, dass der Gesetzgeber keine Mindestbesetzung auf den Intensivstationen festgelegt habe. Wenn dann die Tarife steigen, bauten die Krankenhäuser oft Personal ab. Deshalb müsse der Deckel auf den Krankenhausbudgets weg.Kritisch sieht er das System der Fallpauschalen. Denn darin habe der Gesetzgeber nicht festgelegt, wie viele Mitarbeiter ein Krankenhaus für bestimmte Stationen mindestens braucht, erklärt Müller. Verdi werde versuchen, in der nächsten Tarifrunde eine Mindestpersonalbesetzung auf den Intensivstationen durchzusetzen, sagt Müller. Im Mittelpunkt der Tarifverhandlungen im Frühjahr stehe aber die Lohnerhöhung.

Mitarbeiter auf dem Winterberg kritisieren vor allem die Dreibett-Intensivzimmer (die SZ berichtete). Dadurch habe sich die Belastung verschärft. Stehen andere Kliniken im Regionalverband auch vor diesem Problem? Das Evangelische Krankenhaus in Saarbrücken habe ebenfalls unter anderem Dreibett-Zimmer, bestätigt Hans Georg Schmidt, Pflegedirektor der Saarland Kliniken Kreuznacher Diakonie. Zehn Betten stünden auf der Intensivstation. 23 Mitarbeiter teilten sich im vergangenen Jahr 18,5 Stellen, nun kämen vier Stellen dazu, sagt Schmidt. Die neuen Mitarbeiter würden auch auf anderen Stationen eingesetzt und die Zahl der Plätze für beatmete Patienten werde steigen. Schmidt gibt zu, dass der Leistungsdruck an den Kliniken zugenommen habe und beschreibt das Dilemma so: Das Budget der Kliniken steige um 1,5 Prozent, wenn die Anzahl der Patienten gleichbleibe. Die Tarife stiegen aber meistens stärker. Folge: Die Kliniken müssten beim Personal sparen, denn das mache 70 Prozent der Kosten aus, oder sie müssten mehr Patienten behandeln. Dann steige aber die Arbeitsbelastung. "Das ist seit Jahren so", sagt Schmidt. Die Saarland Heilstätten GmbH (SHG) teilt mit: "In den SHG-Kliniken Völklingen gibt es nicht nur Ein- und Zweibett-Zimmer, im SHG-Klinikum Merzig nur Zweibett-Zimmer." Bei Patienten, die beatmet werden müssten, komme ein Pfleger auf zwei Patienten. Bei den Patienten, die nicht beatmet werden müssen, sei das vom "Pflege- und Überwachungsbedarf" abhängig. Die Mitarbeiter würden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD) bezahlt, im Evangelischen Krankenhaus gilt der AVR-Tarifvertrag, der beim Jahresgehalt gleich wie der TvöD sei, teilt Schmidt mit.

Ein Pfleger für zwei Kranke

Die Caritasklinik St. Theresia werde die alte OP-Station zur Intensivstation umbauen und habe dann nur Einzel- oder Zweibett-Zimmer, sagt Pflegedirektorin Ursula Hubertus. Die Bettenzahl stieg 2011 von 12 auf 14, die Zahl der Vollzeitstellen auf 30. Durchschnittlich betreue ein Pfleger zwei Patienten. Die Bezahlung sei mit der am Klinikum Saarbrücken vergleichbar, meint Hubertus. Auch in der Caritasklinik müsse gespart werden. "Die Wertschätzung der Mitarbeiter ist ganz wichtig. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen", sagt Hubertus. Allerdings sei der Verdienst ein Problem, wenn Kliniken in Luxemburg oder der Schweiz deutlich mehr bezahlen. Trotzdem gebe es keine Probleme mit Kündigungen. Hubertus kritisiert die Gewerkschaft: "Verdi vertritt die Pflege nicht gut genug." So habe der Marburger Bund für die Ärzte viel mehr erreicht.Saarbrücken. Die Pfleger und Schwestern auf der Intensivstation des Klinikums Saarbrücken tun alles für ihre Patienten. Diese Aussage ist dem Fachpfleger für Anästhesie und Intensivmedizin, der anonym bleiben möchte, sehr wichtig. Er hat jahrelang, von 1985 bis 2011, auf dieser Intensivstation gearbeitet. Doch dann hat er frustriert seine Kündigung eingereicht.

Jahrelange Unzufriedenheit

Elf Mitarbeiter haben 2011 auf dieser Intensivstation am Klinikum Saarbrücken gekündigt. Der Hauptgrund dafür sei keinesfalls die schlechtere Bezahlung gewesen, sagt er, sondern der schlechte Führungsstil im Klinikum.

"Die Unzufriedenheit hat sich über Jahre hingezogen. Schon 2007 habe ich einen deutlichen Brief an die Geschäftsführung geschrieben, aber ein Gespräch darüber wurde niemals angeboten. Stattdessen hat sich die Arbeitsverdichtung weiter gesteigert". Pflegedirektorin Sonja Hilzensauer ignoriere aber die Kritik und rede sich die Situation schön, meint der Pfleger.

Viele Mitarbeiter hätten stillgehalten und auf die Sanierung der Station gehofft. Doch mit der Sanierung, in die die Mitarbeiter nicht eingebunden worden seien, kamen das Dreibett-Intensivzimmer und noch mehr Stress. "Ich konnte meine Fürsorgepflicht oft nicht mehr einhalten. Zwei Intensivpatienten in einem Krankenhaus der Maximalversorgung zu betreuen, ist schon hart an der Grenze. Trotzdem versuchen die Mitarbeiter alles. Sie verzweifeln aber immer mehr. Doch das will diese Pflegedienstleitung nicht sehen." Der Pfleger hofft, dass die Geschäftsführung auf dem Winterberg aus den Kündigungen Konsequenzen zieht: "Ändert sich nicht die Führung in Stil oder personell, blutet diese medizinisch sehr hochwertig arbeitende Station unweigerlich weiter aus." sm

Meinung

Sorgen endlich ernst nehmen

Von SZ-RedakteurMarkus Saeftel

Die Pflegedirektorin der Caritasklinik hat Recht: Wenn der Stress auf den Intensivstationen sehr hoch ist, muss die Arbeitsatmosphäre stimmen. Die Wertschätzung der Mitarbeiter ist umso wichtiger. Genau das haben manche Mitarbeiter am Klinikum Saarbrücken offenbar vermisst. Deshalb ist es wichtig, dass die Klinikleitung die Äußerungen in vielen Leserbriefen und des früheren Pflegers des Klinikums nicht nur als Abrechnung von Frustrierten abtut, sondern die Kritik und die Sorgen der Mitarbeiter ernst nimmt. Das scheint nicht immer so gewesen zu sein. Natürlich stehen alle Krankenhäuser unter einem hohen Druck. Wenn die Tariferhöhung aus Sicht der Kliniken zu hoch ausfällt, müssen die Personalkosten runter oder die Patientenzahl rauf, weil die Budgets kaum steigen - Stress und Unzufriedenheit nehmen zu. Wenn die Bundesregierung weiter untätig bleibt und an den Budgets nichts ändert, sollte die Gewerkschaft Verdi in der nächsten Tarifrunde nicht nur um mehr Geld, sondern auch um bessere Arbeitsbedingungen und eine Mindestbesetzung an den Kliniken kämpfen. Sonst müssen wir uns nicht wundern, wenn noch mehr Krankenschwestern und -pfleger ins Ausland abwandern - dort sind Arbeitsbedingungen und Gehalt besser.

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