Alles anders in der Rue Edith Piaf

Spichern · Michael Keck und Lisa Kerwer lieben das Leben im deutsch-französischen Grenzgebiet. Dass ihr Haus in Spichern gebaut wird, ist da nur logisch – und hat mit Sparen nichts zu tun.

 Michael Keck mit seiner Freundin Lisa Kerwer vor dem Rohbau ihres neuen Hauses in Spichern. Das Paar schwärmt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der französischen Verwaltung. Foto: Becker&Bredel

Michael Keck mit seiner Freundin Lisa Kerwer vor dem Rohbau ihres neuen Hauses in Spichern. Das Paar schwärmt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der französischen Verwaltung. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Möglicherweise ist es preiswerter, sein Haus in Lothringen zu bauen anstatt im Saarland. Geschichten von angeblich super-günstigen Occasionen inklusive Steuervorteilen jenseits der Grenze hat wohl jeder Bauwillige schon vernommen. Und vielleicht wird es auch so sein, dass Michael Keck und seine Lebensgefährtin Lisa Kerwer unterm Strich jeden Monat ein, zwei Hunderter sparen werden, nachdem sie sich in Spichern niedergelassen haben. Aber diese Wahl, so versichern sie, sei nicht aus finanziellen Erwägungen getroffen worden.

Nein, der 35-jährige Autoverkäufer aus Püttlingen und die 29-jährige Einkäuferin in der Stahlindustrie, die aus Russland stammt, stellen ihr Häuschen nach Spichern, weil sie ein "deutsch-französisches Leben" im gut erschlossenen Grenzraum reizt, zu dem die Leichtigkeit des Baguette-Frühstücks ebenso gehört wie die perfekten Abläufe bei den deutschen Arbeitgebern. Kindergarten und Schule in dem Grenzort sind zweisprachig. Und natürlich genießt man hier eine unverbaubare Aussicht.

Beide wohnen derzeit noch in Alsting zur Miete und besuchen Französisch-Kurse, damit sie sich gut einleben und mit allen verständigen können, die nicht Deutsch sprechen. Bis es soweit ist, dürfen sie auf eine Spicherer Gemeindeverwaltung zählen, die ihnen sprachlich entgegenkommt und auch mit reichlich Empfehlungen für den Baustellenalltag eine wertvolle Stütze ist. Das junge Paar schwärmt von den hilfsbereiten Mitarbeitern. Sogar den Bürgermeister könne man sprechen, obwohl das Grundstück gar nicht in einem kommunalen Baugebiet liegt, sondern in einem von einer Firma erschlossenen Gelände namens "Plateau de Bellevue", Ortsausgangs Richtung Forbach.

Michael Keck hat das Gelände, das früher landwirtschaftlich genutzt wurde, schon viele Jahre im Auge. Er spielte nämlich in einem Nachbarort Fußball. Als nun Baugrund ausgewiesen wurde, kaufte er sich eine Wunschparzelle, und zwar nicht sofort, sondern "in der Krise, als die Preise schon gesunken waren". Die 142 Euro je Quadratmeter (voll erschlossen) waren aus seiner Sicht immer noch nicht sehr günstig, aber die Lage war es ihm wert. Zum Vergleich: Die Gemeinde nimmt in ihrem eigenen Neubaugebiet 118 Euro für den Quadratmeter.

Das Haus der Deutschen, neun auf neun Meter groß, wurde von der französischen Niederlassung einer deutschen Firma gebaut. Die Rechnungen werden nach Frankreich bezahlt. Arbeiter aus zig Nationen sind zugange. Michael Keck hat ein deutsches Gutachterbüro beauftragt, um Baufortschritte zu dokumentieren und Mängel sofort beseitigen zu lassen. "Aber es läuft alles bestens", versichert er. Beim Innenausbau will das junge Paar einiges in Eigenleistung erbringen. Im August soll Einzug sein. Weil kraft Satzung nur 30 Prozent der Fläche bebaut werden dürfen, haben sie von privat noch ein kleines Nachbargrundstück erworben. Es wird der Ziergarten.

Die Straße, in der das Haus der Saarländer steht, heißt übrigens Rue Edith Piaf. Straßenschilder gibt es noch nicht, der Endausbau soll bald erfolgen, nämlich wenn eine gewisse Anzahl von Baustellen verkauft ist. Hausnummern sind auch schon vergeben, und zwar ausdrücklich nicht nach der deutschen Systematik. Keck und Kerwer haben die 183, und zwar deshalb, weil ihr Haus 183 Meter von der nächsten Hauptstraße entfernt steht. Ein Nachbar kriegt die Nummer 215. Der Briefträger kommt prima klar mit solchen Angaben, heißt es. Und warum soll nicht auch der Besucher mal was Neues kennenlernen? Monsieur Jung, uns wurde von ausgesuchter Freundlichkeit der Spicherer Verwaltung gegenüber Bauherren aus Deutschland berichtet. Ist das denn ein Zufall?

Jean Jung: Ich sage meinen Mitarbeitern immer: Wir machen hier Dienst für alle Einwohner, egal welcher Nationalität. Jeder soll es so leicht wie nur möglich haben.

Zur Deutschfreundlichkeit gehört aber wohl die Zweisprachigkeit in Kindergarten und Schule.

Jung: Das ist in der Tat eine Besonderheit von Spichern. Erstens wollen wir dieses besondere Angebot den vielen deutschen Bürgern machen. Zweitens sichern wir den langfristigen Bestand der Einrichtungen. Andernorts werden Klassen wegen Schülermangels geschlossen. Also öffne ich sie doch lieber für Deutsche. Kostenlos sind die Angebote übrigens auch noch.

Wie ist das Verhältnis von Deutschen und Franzosen im Ort?

Jung: Gut und entspannt. Es hat sich ständig nach vorn entwickelt. Nur noch vereinzelt hat der Franzose den Eindruck, der Deutsche tue nicht genug, um sich einzufügen. Es gibt aber auch Franzosen, die nicht am Ortsleben teilhaben wollen. Und viele Deutsche arbeiten den ganzen Tag und sind abends so müde, dass sie nicht nach Spichern fragen. Auch in Ordnung.

Wie sieht der Markt für Häuser und Wohnungen aus?

Jung: Es gibt noch wenige Bauplätze. In unserem kommunalen Neubaugebiet, das fast vergeben ist, hatten wir 65 Prozent der Parzellen für junge französische Familien reserviert. Im Altbestand gibt es Leerstände, es stehen aber wenige Häuser zum Verkauf. Die Eigentümer verkaufen nicht gern unter Wert, sondern sitzen lieber die Wirtschaftskrise aus und warten auf bessere Jahre.

Zum Thema:

Auf einen Blick Spichern (frz: Spicheren) hat 3300 Einwohner, davon etwa ein Viertel Deutsche. Die meisten von ihnen leben im Oberdorf. Im Unterdorf liegt der Grenzübergang Goldene Bremm. Der Ort gehört zur Großgemeinde Forbach und verfügt über eine intakte Nahversorgung mit Ärzten, Supermärkten, Apotheke, Bäckerei und Gaststätten. Die Bevölkerung ist in 30 Vereinen organisiert. Die Arbeitslosenquote liegt bei 15 Prozent. Ehrenamtlicher Bürgermeister (und Chef von 18 Mitarbeitern) ist Jean Jung, 55, ein ehemaliger Bergmann. wp spicheren.fr

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