Gegen Winnetou hatte Elke keine Chance

Neunkirchen. "Meine Sturm- und Drangzeit als edler und tapferer Indianerhäuptling, nicht nur an Fastnacht, sondern das ganze Jahr über beim Spielen in der Wildnis, lag eigentlich schon hinter mir, denn in wenigen Tagen würde ich 13 Jahre alt werden. Das kindliche Abenteuerspielen hatten wir Jungs mittlerweile ersetzt durch Straßenfußball

Neunkirchen. "Meine Sturm- und Drangzeit als edler und tapferer Indianerhäuptling, nicht nur an Fastnacht, sondern das ganze Jahr über beim Spielen in der Wildnis, lag eigentlich schon hinter mir, denn in wenigen Tagen würde ich 13 Jahre alt werden. Das kindliche Abenteuerspielen hatten wir Jungs mittlerweile ersetzt durch Straßenfußball. Meine dicksten Freunde Eberhard, Werner und Hans-Jürgen hatten im Gegensatz zu mir schon erste Techtelmechtel und Kusserfolge zu verzeichnen.Ich tröstete mich zwar mit dem Gedanken, dass ich der Jüngste von uns Vieren war, aber die Zeit drängte. "Der Schatz im Silbersee" schien mir eine willkommene Gelegenheit zu sein, das Angenehme, einen spannenden Abenteuerfilm, mit dem unvermeidlichen ersten Kuss zu verbinden. Ein Opfer dafür hatte ich bereits im Auge. Elke, deren Oma meiner Mutter im Haushalt aushalf, sollte die Auserwählte sein. Also kratzte ich meine Ersparnisse zusammen und lud Elke ein, mit mir in die Nachmittagsvorstellung von "Der Schatz im Silbersee" zu gehen. Von Eberhard hatte ich den todsicheren Tipp, einen Kussangriff erst dann zu starten, wenn eine romantische Filmszene über die Leinwand flimmerte.

Schüsse statt Küsse

Als wir nachmittags im Eden-Kino auf den sündhaft teuren Sperrsitz-Rängen weiter hinten Platz nahmen, war das Kino fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Fieberhaft wartete ich auf eine geeignete Gelegenheit für meinen geplanten Einsatz. Endlich kam eine mir jedenfalls romantisch genug erscheinende Szene, untermalt von der eindringlichen Filmmusik. Doch als ich gerade dabei war, mich mit zitternden Händen und Angstschweiß auf der Stirn in Richtung meiner Angebeteten zu beugen, peitschten plötzlich Schüsse durch den Saal. Colonel Brinkley und seine Banditen waren dabei, die Farm von Mrs. Butler auf der Suche nach dem fehlenden Teil der Schatzkarte zu überfallen. Dies konnte ich mir nicht entgehen lassen und stellte daher meinen eigenen Angriff bis auf weiteres zurück. Allerdings zogen mich Winnetou und Old Shatterhand immer mehr in ihren Bann, so dass ich die Welt um mich herum völlig vergaß - und damit auch Elke.

Erst nachdem das Licht im Saal wieder anging, kehrte ich ins irdische Leben zurück. Doch wo war Elke? Verzweifelt irrte ich auf der Suche nach ihr an den vielen Zuschauern vorbei, die den Ausgängen zustrebten. Auch vorm Kino keine Spur von ihr. So rannte ich schließlich den Hüttenberg hinunter zum Taschen- und Schirmgeschäft, wo Elke mit ihrer Oma im Hinterhaus wohnte. Dort fand ich sie tatsächlich im Durchgang zum Hinterhaus wieder ... knutschend mit dem eitlen Fatzken, der im Kino neben uns gesessen und sie fortwährend angehimmelt hatte."

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