Der König des königlichen Spiels

St Ingbert · Im Hotel „Villa Almarin“ in St. Ingbert gab sich am Sonntag ein ganz besonderer Gast die Ehre. Der ehemalige Schachweltmeister Anatoli Karpow absolvierte ein Simultanspiel gegen 16 Kontrahenten gleichzeitig.

 Anatoli Karpow vor den Brettern, die für ihn die Welt bedeuteten. Der Ex-Schach-Weltmeister zeigte in St. Ingbert, dass er trotz seiner 64 Jahre noch nichts von seinem Können verlernt hat. Foto: Wieck

Anatoli Karpow vor den Brettern, die für ihn die Welt bedeuteten. Der Ex-Schach-Weltmeister zeigte in St. Ingbert, dass er trotz seiner 64 Jahre noch nichts von seinem Können verlernt hat. Foto: Wieck

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64 Jahre ist er inzwischen alt. Jener Mann, der das Brettspiel mit den 64 Feldern über Jahre dominiert hat: Als Anatoli Jewgenjewitsch Karpow am Sonntag das Fünf-Sterne-Hotel "Villa Almarin" in St. Ingbert betritt, wird er sehnsüchtig erwartet. Alle Augen richten sich auf ihn, ehrfürchtige Blicke folgen dem Russen auf Schritt und Tritt. Mit 1,70 Metern Länge ist Karpow eher klein, im Schach aber zählt er zu den Größten, die der Sport je hervorgebracht hat.

Lebende Schachlegende - für den Mann aus Slatoust im Ural sicher ein angemessener Begriff. Von 1975 bis 1985 und von 1993 bis 1999 war Karpow Weltmeister , der König des "königlichen Spiels". Wie ein solcher verehrt wird er in St. Ingbert , wo 16 Spieler bei einem Simultanspiel gegen den Ex-Champion antreten dürfen. Und Karpows breites Lächeln deutet an, dass er den Trubel um seine Person zu genießen scheint. "Ich bin hergekommen, weil ich das Spiel einfach mag. Das ist eine schöne Gelegenheit, Schachfreunde zu treffen und zu spielen", sagt Karpow.

Es sei im Schachsport Tradition, dass sich Amateur- und Hobbyspieler bei solchen Gelegenheiten mit den Stars der Szene messen. Eine Selbstverständlichkeit sei das in seinem Fall aber längst nicht mehr, sagt Karpow: "Früher habe ich das öfter gemacht. Heute vielleicht ein Mal in drei Monaten." Der Kontakt nach St. Ingbert kam über die russischen Hotelbesitzer zustande. Schon zur Eröffnung der "Villa Almarin" war Karpow hier. Heute geht es allerdings nur um Schach.

Auch wenn er seit 1999 nicht mehr in der Weltklasse mitmischt, bleibt Karpow jenem Sport, den er bereits mit vier Jahren für sich entdeckte, treu: "Das erste Mal spielte ich Schach mit meinem Vater. Er war ein reiner Hobbyspieler und hat oft mit Freunden gespielt. Ich schaute öfters zu, irgendwann erklärte er mir die Regeln." Und obendrein das "wichtigste Geheimnis" im Schach: "Eine Bedrohung ist mehr einschüchternd als ihre Umsetzung."

Bedrohlich - das gilt auch für Karpows Auftreten im Simultanspiel. Sein Lächeln ist einer hochkonzentrierten Miene gewichen, wie ein Lehrer marschiert er durch die Tischreihen, analysiert mit messerscharfem Blick die Bretter. Karpow ist in seinem Element, ein Schachspieler durch und durch - auch 45 Jahre nach der Einstufung als damals jüngster Großmeister und 40 Jahre nach dem ersten WM-Titel. "Ich war 25 Jahre an der Spitze, darauf bin ich stolz", sagt Karpow, der mit 179 Turniersiegen Weltrekordler ist. Große Veränderungen gab es im Schach aus seiner Sicht nicht, abgesehen von Schachprogrammen, die die Vorbereitung erleichtern.

Was den amtierenden Weltmeister , den Norweger Magnus Carlsen , angeht, sieht Karpow gewisse Parallelen: "Er hat einen ähnlichen Stil wie ich, kennt sich mit den Strategien sehr gut aus und hat großes taktisches Geschick", sagt er über den 24-Jährigen. Zu einem Duell der Generationen wird es aber nicht kommen: "Ich habe vor 15 Jahren entschieden, nicht mehr um die WM zu kämpfen. Um dafür bereit zu sein, musst du jeden Tag an dir arbeiten. Ich habe jetzt andere Interessen", sagt Karpow. So ist er immer mehr in die Politik seines Heimatlandes involviert.

Dass er das Spiel dennoch exzellent beherrscht, beweist er in St. Ingbert . Von 16 Partien gewinnt er 15, nur Herbert Bastian aus Saarbrücken, Präsident des Deutschen Schachbundes und selbst Internationaler Meister, bekommt vom Ex-Weltmeister ein Remis angeboten. Am Abend startet Karpow wieder Richtung Moskau. Doch schon jetzt ist klar: Es wird nicht der letzte Besuch der Schachlegende gewesen sein.

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