Die Perspektive scheint schon klar

Sinsheim · Julian Nagelsmann ist der Aufsteiger schlechthin in der Fußball-Bundesliga. Schon jetzt wird der Trainer von 1899 Hoffenheim mit Bayern München in Verbindung gebracht. Das kommt nicht von ungefähr.

 Julian Nagelsmann ist mit seiner Mannschaft in dieser Saison unbesiegt. Foto: güttler/dpa

Julian Nagelsmann ist mit seiner Mannschaft in dieser Saison unbesiegt. Foto: güttler/dpa

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FKK ist für Julian Nagelsmann längst keine Option mehr. "In der Sinsheimer Badewelt gehe ich nicht mehr so gerne in den Nacktbereich", klagt der Aufsteiger unter den Bundesliga-Trainern mit einem Augenzwinkern über die Nachteile seiner Bekanntheit. "Ich dachte immer, ich habe ein Allerweltsgesicht. Aber ich werde doch oft erkannt. Egal, wo ich bin", sagt der Übungsleiter von 1899 Hoffenheim: "Die Leute sind aber eigentlich immer freundlich."

Das verwundert nicht sonderlich. Schließlich ist der 29-Jährige selbst freundlich - dazu höflich, eloquent, authentisch. Ganz nebenbei gilt der perfekte Schwiegersohn schon jetzt, ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt bei 1899, als überragendes Trainertalent. Dafür genügt vor dem Topspiel der Hoffenheimer an diesem Samstag bei RB Leipzig (15.30 Uhr) - dem Duell des Tabellendritten beim Tabellenzweiten - ein Blick auf die Fakten. Erst rettete Nagelsmann den längst abgeschriebenen Club in der vergangenen Saison vor dem Abstieg. Dann machte er seine Schützlinge in der laufenden Spielzeit zu den "Unbesiegbaren". 1899 ist erst die sechste Mannschaft in der Bundesliga-Geschichte, die eine Hinrunde ohne Niederlage absolviert hat.

Wer eine solche Serie hinlegt, gerät natürlich in den Fokus der Topclubs. Und als Präsident Uli Hoeneß von Rekordmeister Bayern München seine Wertschätzung für Nagelsmann zum Ausdruck brachte, brodelte sofort die Gerüchteküche. Zusätzlich befeuert wurden die Spekulationen von Rekordnationalspieler Lothar Matthäus , der Nagelsmann als Kandidaten für die Nachfolge von Münchens Trainer Carlo Ancelotti ins Spiel brachte. Ein Journalist wettete deshalb mit Nagelsmann um eine Kiste Weißbier, dass er spätestens nach dem Ende seiner Vertragslaufzeit in Hoffenheim im Juni 2019 die Bayern trainieren werde. Der gebürtige Landsberger, der vor dem frühen Ende seiner aktiven Laufbahn (Knieverletzung) in der Jugend von 1860 München spielte, schlug ein: "Als Bayern-Trainer könnte ich mir die Kiste dann ja leisten."

Dass Nagelsmann vor dem Spiel in Leipzig über das Bayern-Thema witzelte ("Ich bin im Austausch mit Ralph Hasenhüttl und Thomas Tuchel - wir einigen uns gerade, wer Trainer und wer Co-Trainer wird"), ist nur die halbe Wahrheit. Der englischen Zeitung The Sun, die den Trainer neben den Sendern BBC, CNN oder der Zeitung Gazzetta dello Sport in den vergangenen Wochen interviewen durfte, verriet Nagelsmann: "Ich bin ehrgeizig, will um Titel kämpfen - und vielleicht mal einen großen deutschen Club trainieren."

Dabei weiß Nagelsmann, der mit seiner Freundin Verena einen zwei Jahre alten Sohn (Maximilian) hat, um die Tücken des Geschäfts. "Wenn ich 17 Mal nacheinander verliere, bin ich nicht mehr da", sagt er: "Und aus profilneurotischen Gründen muss ich nicht Bundesliga-Trainer sein." Diese Bodenhaftung kommt nicht von ungefähr. Nagelsmann weiß nur zu gut, dass Profi-Fußball nicht viel mit dem realen Leben zu tun hat. Als sein Vater starb, stand der damals 20-Jährige früh in der Verantwortung. "Ich musste noch erwachsener werden", erinnert er sich: "Schnell lernen, Entscheidungen zu treffen, die nicht immer leicht und angenehm waren."

Für mutige Entscheidungen ist Nagelsmann auch in seiner Rolle als Trainer bekannt. Bei den Taktik-Besprechungen mit seinen Assistenten vor den Partien plädiert er meist für die Risiko-Variante, die er privat eher scheut. Siehe Nacktbaden.

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